Prof. Dr. med. Max Seige
Prof. Dr. med. Max Otto Seige (*12.1.1880, +16. 12. 1969) war Nervenarzt (Neurologe und Psychiater).
Max Seige wurde in Saalfeld als Sohn des aus Pößneck stammenden praktischen Arztes Dr. Eduard Seige und von Minna Anna, geb. Scheermesser, Tochter des Apothekers, später Hofbuchhändlers Louis Scheermesser in Bad Salzungen, geboren. Die alte Thüringer Familie Seige ist in Pößneck bis ins 16. Jh. nachweisbar. Die Wohnung und Praxis des Vaters von Max Seige befanden sich im Rathaus von Saalfeld, wo Max aufwuchs. Beide Eltern wurden später in der Familiengruft Scheermesser auf dem Husen-Friedhof in Bad Salzungen beigesetzt.
Ab 1898 studierte Max Seige Medizin in Jena und Erlangen und legte in Jena 1904 das Staatsexamen ab. Er spezialisierte sich auf Psychiatrie und promovierte über „ Die psychischen Verhältnisse bei der Inhalation “. In den nächsten Jahren war Dr.Seige an der Psychiatrischen Klinik in Dresden, in der Nervenklinik der Universität Jena, an der Charité in Berlin und in der Städtischen Heil- und Pflegeanstalt in Dresden tätig und wurde damit zu einem langjährigen Universitätsassistenten. Seit der Studienzeit gehörte Dr. Seige als Seige II dem Corps Franconia an, an dessen gesellschaftlichem Leben er rege teilnahm.
1912 trat Dr. Seige in Partenkirchen, wie auch der spätere Miteigentümer des Sanatoriums Liebenstein, Dr. Felix Eichler, als Teilhaber in die neu gegründete Wiggers Kurheim GmbH (siehe unten) ein. Er war dort als Facharzt für Nervenkrankheiten tätig. Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit war er gesellschaftlich vielseitig engagiert. U.a. hatte er enge Kontakte zum Corps Räthia in Innsbruck.
Im ersten Weltkrieg war Dr. Seige von 1914 bis 1916 als Arzt beim 4. Armeekorps in Frankreich eingesetzt. Längere Zeit war
er in Chauny (Picardie) stationiert.
Dort mußte er im Kriegslazarett eine psychiatrische Station einrichten und arbeitete mit französischen Ärzten zusammen. Seine Stellung verpflichtete ihn auch zu kriegsgerichtlichen Gutachten als
Psychiater über kriegstraumatisch geschädigte Soldaten. Er behandelte auch die Zivilbevölkerung. Trotz Verbotes organisierte er mit dem deutschen HNO-Arzt Dr. Albrecht für arme
französische Kinder ein Weihnachtsfestspiel und eine Bescherung.
1917 ließ sich Dr. Seige versetzen und trat in die Sanitätskompanie des Asienkorps (deutsches Expeditionskorps Pascha II) ein, eine Spezialeinheit, die vom deutschen Reich auf der Grundlage des osmanisch(türkisch)-deutschen Bündnisses gebildet und zur Unterstützung des Osmanischen Reiches im Vorderen Orient eingesetzt wurde. Das Asienkorps war der osmanischen Heeresgruppe F zur Teilnahme am Unternehmen „Yildirim“ („Blitz“) zugeordnet. Dieses Unternehmen hatte ab Herbst 1917 die Frontsicherung in Palästina zum Ziel, d.h., vor allem das Aufhalten der vom Sinai her vorstoßenden Engländer mit arabischen Verbündeten. Von Ende 1917 bis November 1918 war Dr. Seige als Standortarzt in Aleppo (siehe unten) eingesetzt, der Sammelstelle der deutsch-türkischen „Blitz“-Armee in Syrien. Mit wenigen anderen deutschen Ärzten und dem arabischen Kreisarzt hatte Dr. Seige in der alten, zu der Zeit einschließlich stationierter Militäreinheiten etwa 300 000 Bewohner zählenden Handelsstadt, eine außerordentlich vielseitige Verantwortung wahrzunehmen. Besonders umfangreich war hygienische Arbeit zu leisten im Rahmen der Bekämpfung von Cholera-Epidemien, Typhus, Fleckfieber, Beulenpest und Geschlechtskrankheiten; ferner hinsichtlich der auftretenden Trinkwasser-probleme und der Kontrolle der Feldbäckerei für Tausende von Soldaten.
Zum Kriegsende, nach dem Waffenstillstandsvertrag vom 31.10.1918, erfolgte der Rückzug der deutschen Einheiten aus Palästina. Die von Dr. Seige geführte Sanitätskompanie schlug sich durch Nordsyrien bis zur Bagdadbahn durch, von wo ab der Bahntransport nach Konstantinopel erfolgte. Während dieses Rückmarsches wurde ihm durch die Erkrankung des leitenden Sanitätsoffiziers des deutschen Asienkorps, Prof. Rodenwaldt http://de.wikipedia. org/wiki/Ernst_Rodenwaldt, dessen Funktion übertragen. Mit anderen hohen Funktionsträgern des deutschen Asienkorps, so auch mit dem Oberkommandierenden des Asienkops Liman von Sanders http://de.wikipedia.org/wiki /Liman_von_Sanders, war Dr. Seige einige Monate auf den Prinzeninseln im Marmarameer interniert. Im März 1919 erfolgte auf dem umgebauten Kohlendampfer „Lilli Rickmers“ die Heimreise durch das Mittelmeer nach Hamburg, während der Dr. Seige als Schiffsarzt für 2000 Soldaten tätig war. Für seine Verdienste als Oberstabsarzt des Asienkorps erhielt er das Eiserne Kreuz I. Klasse und von türkischer Seite die Medaille Türkischer Halbmond (siehe unten ).
Nach kurzzeitiger Tätigkeit in einem Leipziger Lazarett erwarb Dr. Seige, gemeinsam mit Dr. Felix Eichler, 1920 das Sanatorium
Liebenstein von dem bisherigen Eigentümer Dr. Johann Heinrich Fülles. Dr. Seige baute seine Sprechstunde zu einer neurologisch-psychatrisch orientierten Badearztpraxis aus, die bald sehr gut lief, wie auch die internistische Facharztpraxis von Dr. Eichler. In den 1930er Jahren war das Sanatorium
Liebenstein http://www44.jimdo.com /app/s06790 cd3cc8612fc /p3f871336897de0b5/ auf dem besten Wege, eines der bekanntesten in Deutschland zu werden.
Dr. Seige erwarb mit seiner Ehefrau Eleonore Elisabeth, geb. Gröschel, Tochter des Meißner Oberbaumeisters und
Baugeschäftsinhabers Georg Gröschel, das neben dem Sanatorium gelegene alte Liebensteiner Wohnhaus in der Hauptstraße 33 http://www44.jimdo.com/app/s06790cd3 cc8612fc/p515280760a074fa7/ (heute Herzog-Georg-Straße), das für die Familie Seige zum Heim bis Anfang der 1970er Jahre wurde. 1921 und 1924 wurden die beiden Söhne Konrad
http://de.wiki
pedia.org/wiki/Konrad_Seige und Dietrich geboren, die später gleichfalls ärztliche Laufbahnen
beschritten.
Dr. Seige und seine Familie hatten bald Kontakte zu vielfältigen gesellschaftlichen Kreisen von Bad Liebenstein. Er gehörte auch dem AST (Akademischer Stammtisch) an, der im Hotel Charlotte stattfand und an dem vor allem Ärzte, Apotheker, Zahnärzte, Pfarrer und Juristen teilnahmen. Dr. Seige war in mehreren örtlichen Vereinen engagiert tätig und vertrat öfters zu gesellschaftlichen Anlässen die Liebensteiner Ärzteschaft, wie zum Beispiel 1935, als das Palais Weimar nach umfassender Rekonstruktion und Umbau wiedereröffnet wurde. Seine Weltoffenheit zeigte sich auch daran, dass er Anfang der 1930er Jahre das aus Russland geflüchtete fürstliche Geschwisterpaar Woronzow aufnahm, das mehrere Jahre kostenlos im Seige'schen Haus wohnen durfte.
Neben seiner praktischen ärztlichen Tätigkeit förderte Dr.Seige auch sehr den wissenschaftlichen Austausch. Er wurde 1925 Mitherausgeber der „Korrespondenzblätter der Thüringer Ärzte“ und war eine Zeit lang Vorsitzender der Ärztevereine Bad Salzungen und Suhl. Im neurologischen Fachbereich befasste er sich besonders mit der multiplen Sklerose, über die er vielfältige Forschungen durchführte.
Zu den weiteren wichtigen Interessengebieten und ehrenamtlichen Tätigkeiten von Dr. Seige zählte die Thüringer Geschichte,
Kulturgeschichte und lokale Heimatforschung.
Dafür sammelte er vielfältige Materialien, verfasste Berichte für verschiedene Medien und hielt Vorträge. Auch die „Alte Burg“
war sehr bald Anziehungspunkt für ihn und er gehörte 1926 zu den Gründungsmitgliedern der Burggemeinde.
Mit dem Kriegsausbruch 1939 richtete Dr. Seige als Oberstabsarzt der Reserve in Liebenstein eine Reservelazarett ein, zu dem auch zwei Drittel des Sanatoriums gehörten, und leitete es mehrere Jahre. Nach seiner Ernennung zum Hilfsberatenden Psychiater des 4. Armeekorps, zunächst mit Sitz in Bad Liebenstein, und Beförderung zum Oberfeldarzt der Reserve 1943 wurde er 1944 nach Erfurt als Standortarzt der Stadt versetzt. Er betreute dort ein großes Lazarett von Hirnverletzten und leitete eine neurologische Abteilung.
Nach Kriegsende kehrte Dr. Seige nach Liebenstein zurück und nahm seine Tätigkeit im Sanatorium wieder auf. In Liebenstein
waren inzwischen russische Truppen eingerückt. Einem Abtransport in russische Gefangenschaft entging Dr. Seige durch einen energischen Einsatz des jüdischen Mitbürgers Bernhard Liebenstein, der
lange im Seige'schen Haus gewohnt hatte und zu dessen Familie ein freundschaftliches Verhältnis bestand. Auf Dr. Seiges
Initiative wurde das Sanatorium zum Versorgungskrankenhaus für entlassene deutsche Soldaten unter der Leitung des Bezirksarztes in Suhl. Mehrfache Versuche der örtlichen russischen
Besatzungsleitung, das Sanatorium, wie die benachbarten Hotels, mit Armee zu belegen, verhinderte er durch geschickte Verhandlungen und Einschaltung des russischen Militärkommandanten in Weimar.
Er konnte auch erreichen, dass die von den russischen Militärs beanspruchten Handwerker, Bäcker, Fleischer und andere,
eine ordentliche Bezahlung erhielten. Als lange Zeit einziger Nervenarzt in Südthüringen - und mit der Krankenhaustätikeit- war er mit nunmehr 65 Jahren beruflich nochmals sehr gefordert. Im
Krankenhaus war zunächst Dr. Seige, später Dr. Eichler als Chefarzt eingesetzt, wobei es immer schwieriger wurde, ihre Position gegenüber den neuen links gerichteten, politischen
Machthabern zu bewahren.1952 wurde das Gebäude des Sanatoriums auf 15 Jahre vertraglich an das Land Thüringen
verpachtet, wobei Dr. Seige die Stelle eines leitenden Chefarztes der Neurologischen Abteilung erhielt. 1954 wurde Dr. Seige von der Landesregierung Thüringen der Titel „Professor der Neurologie
und Psychatrie“ verliehen.
Mit der Bezirkseinteilung in der DDR wurde auch eine eigene medizinisch-wissenschaftliche Gesellschaft des Bezirkes Suhl gegründet, deren Vorsitzender Prof.Seige wurde.
Als nach 1945 durch das Vereinsverbot auch die Burggemeinde nicht mehr bestand, gehörte Dr.Seige 1949 zu den Gründungsmitgliedern der Arbeitsgruppe " Natur- und Heimatfreunde" im Kulturbund Bad
Liebenstein.
In späterer Zeit wirkte er auch im Kirchenvorstand der evangelisch-lutherischen Gemeinde mit.
Bis 1965, seinem 85.
Lebensjahr, führte Prof. Seige seine Sprechstunden und die Versorgung fachspezifischer Patienten der Neurologie und Psychiatrie im ehemaligen Sanatorium, nunmehr neurologische Abteilung des Landeskrankenhauses Bad Liebenstein, fort. In den beiden nachfolgenden Jahren untersuchte und betreute er noch
einzelne und spezielle Patienten in einem kleinen Raum des sogenannten Sommer-hauses des ehemaligen Sanatoriumsgebäudes.
Prof. Seige starb am 16. Dezember 1969, kurz vor seinem 90. Geburtstag, und wurde auf dem Liebensteiner Friedhof beigesetzt. Die Trauerfeier fand in der Friedhofskapelle Liebenstein statt und nach seinem Wunsch spielte ein Violinquartett das Volkslied „ Kein schöner Land in dieser Zeit, als hier das unsre weit und breit “.
Visitenkarte von Dr. Max Seige als Stabsarzt 1917 in Aleppo
Kaiserlich
Osmanischer Orden Eiserner Halbmond (Türkischer Halbmond) in Silber, verliehen sowohl an Angehörige des Osmanischen Reiches als auch seine Verbündete während des ersten Weltkrieges durch den
Sultan und auch die beiden Oberkommandierenden Envar Pascha und Liman von Sanders.
Abbildung des Originalordens von Prof. Seige