Schuhmacherwerkstatt Hartmann
90 Jahre Schuhmacherwerkstatt von Paul und Walter Hartmann
siehe auch
https://www.heimatfreundebali.de/heimatgeschichte/villen/haus-hartmann/
Walter Hartmann wurde am 17.08.1946 in Bad Liebenstein geboren. Das Stammhaus der Hartmanns aus Liebenstein war 1526 gegründet worden. Vater Paul Bruno (*26.11.1911, + 04.02.2004) hatte in Eisenach bei Rudolf Hofmann am 04. Oktober 1928 die Gesellenprüfung zum Schumacher abgelegt. 1930 hatte er sich ohne Meisterprüfung selbständig machen
können – den Meister holte er 1935 nach.
Ende der 1950er hatte der Vater Paul seinen Sohn Walter gefragt – willst Du denn nicht auch Schuhmacher werden? Walter entgegnete – „In dem Loch dahinten drin nicht!“ So kam es zum Werkstattanbau, indem Walter bis heute sein ganzes
bisher 59 Jahre dauerndes Berufsleben verbracht hat. Die Genehmigung der baulichen Erweiterung war relativ einfach, viel schwieriger stellte sich die Materialbeschaffung anfangs der 1960er dar.
Das Foto der unverputzten Werkstatt verrät: viele unterschiedliche Hohlblocksteine, Abbruchziegelsteine und eine gebrauchte Eingangstür waren der
sichtbare Ausdruck der Mangelwirtschaft.
Übrigens fand in der kleinen väterlichen Werkstatt die inoffizielle Gründung des Kaninchenvereins statt. Hugo Danz vom örtlichen Bauamt, Paul Hartmann und Karl Herbig waren führende Köpfe, die
später auch den Bau der sogenannten „Rammlerbude“ zuvorderst betreiben sollten.
Walter Hartmann besuchte von 1961 bis 1964 die Zentralberufsschule in Ohrdruf. Dort wurden für die gesamte DDR Schuhmacher, Orthopädieschuhmacher, Täschner und Bandagisten ausgebildet. An der
Schule gab es ein Internat, eine Werkstatt und natürlich einige Fachlehrer. Den strengen Lehrer Mackrodt hielt Walter für einen der besten. Einige Male ist der sportliche Schuhmacherlehrling
sogar mit dem Rennrad über den Rennsteig nach Ohrdruf gefahren.
Die normale Ausbildung erfolgte in der allgemeinen Berufsschule in Bad Salzungen (neben dem Pressenwerk) und natürlich in der väterlichen Werkstatt am Salzmannsgässchen.
Paul Hartmann leitete die Werkstatt vom 01.04.1930 bis zum 31.12.1975. Walter übernahm am 01.01.1976 und ist bis heute sein eigener Chef. Insgesamt konnten im Betrieb neun Lehrlinge ausgebildet
werden: Aus Steinbach Dankfred Heß, Arnold Rosenkranz, Ernst Kindler und Siegfried Rösler, aus Barchfeld Hans Nothnagel und Harry Kaiser, aus Bairoda Manfred Weih sowie Alfred Groß und Walter
Hartmann aus Bad Liebenstein.
Bis 1975 wurde auch der klassische Maßschuh nach den individuellen Kundenvorstellungen und seinen Fußmassen gefertigt. Nachdem Schuhmachermeister Hartmann nicht einer PGH beitreten wollte, wurden
ab 1976 nur noch Reparaturarbeiten in seiner Werkstatt gestattet.
Ausnahmsweise hat er für die Latschenflicker Tiefenort probiert, ob er die manuelle Schuhherstellung noch drauf hat: Dazu muss der Schaft (ein von den Tiefenortern gewebter und zugeschnittener
Stoff) über den Leisten gezwickt und an der Brandsohle befestigt werden. Solch ein Maßschuh kann normalerweise aus bis zu 30 Teilen bestehen.
Beispielsweise dem Futter, der Hinter- und Vorderkappe aus Leder, der Gelenkfeder aus Stahl oder dem Keder, ein Lederstück, das auf die Brandsohle genagelt wird. Wenn er einen der Tiefenorter
Schuhe so in den Händen hält und sanft den Schuhrundungen entlang streicht, merkt man, wie stark er seinen Job mag. In diesem Zusammenhang erklärt Walter noch eine Technik aus der Lehrzeit: Um
den Holzleisten zu bearbeiten, musste ein Stück Glas so gebrochen werden, dass mit der dabei entstandenen äußerst scharfen Klinge der Holzleisten bearbeitet werden konnte. Das Brechen des Glases
war eine Herausforderung.
Die Schuhreparatur war und ist bei Walter das A und O. Die Schuhsprechstunden, die bis 2015 unter der Woche ganztags möglich waren (seitdem nur noch mittwochs), waren und sind sehr gut besucht.
Oft kamen und kommen Kunden auch von weit her und holen sich fachmännischen Rat. Hoffnungslose Fälle wurden und werden meist sofort ausgesondert, Problemfälle werden diskutiert, im Normalfall
wird umgehend das Abholdatum vereinbart.
Sein Wissen in Bezug auf die Heimatgeschichte führt meist auch zu Gesprächen, die außerhalb der Schuhszene angesiedelt sind. Denn Walter ist im Ehrenamt stellvertretender Vorsitzender der Natur-
und Heimatfreunde und Organisator der beliebten Liebensteiner Burgfeste.
Paul Hartmann und sein Sohn Walter waren sehr gute Turner. Paul trat 1921 mit 10 Jahren in den Turnverein Germania e.V. ein, das bestätigte der damalige Vorsitzende Karl Kruspe mit seiner
Unterschrift. 1929 wurde er in die aktive Turnerschaft des Vereins übernommen. Sohn Walter war gleichfalls zunächst Turner und seine Riesenfelge im
Steinbacher Turnsaal klappte perfekt.
Später war er begeisterter Volleyballer zunächst bei den Montagsmalern und später dann beim SV Medizin. Fürchten musste man sich vor seinen kurz angeschlagenen Aufgaben, die dem Ball meist eine
unvorhersehbare Flugbahn verliehen.
Er selbst bezeichnet sich als einen der seltenen pazifistischen Jäger. Ihm liegt das Beobachten, am Abschuss hat er kein Interesse. Sitzt er dann an seinem selbst erbauten blauen Tischchen an der Zugfinkskuppe, das sogar bei Googlemaps als Schuster’s Bänkchen aufgeführt ist, reifen und reiften die Gedanken, die insbesondere bei
Koch’s Dieter auf der Geißenalm, am Stammtisch des Dreiherrnsteins oder auch im Klosterbräu oder Theatercafe zu vielfältigen Gesprächen anregen sollten.
Ein ganz wesentliches Detail sei am Schluss genannt – die gute Seele im Team Barchfelderstr. 7 ist Walters Ehefrau….
Der Schuhmacher (aus: Was willst du werden, um 1880): Meister mit Gesellen und Lehrling (rechts). Typisch die dreibeinigen Schemel, die Schürzen, das Leisten- und Lederlager (hinten links), die Wasserwanne zum Einweichen der Brandsohlen (unter dem Tisch), Lederreste auf dem Boden, vorne links wird ein Schuh aufgedoppelt (genäht), vorne rechts wird eine Sohle holzgenagelt, auf dem Tisch die klassischen Werkzeuge und eine Lampe zum Erwärmen. Auch der üblicherweise vorhandene Vogelkäfig ist oben am Fenster zu erkennen.
1930 wurde die Schuhmacherwerkstatt in der
Barchfelder Straße von seinem Vater, Paul Hartmann, gegründet. Walter Hartmann, der 1946 in Bad Liebenstein geboren wurde, lernte nach dem Besuch der Grundschule, von 1961 an, drei Jahre
Schuhmacher beim Vater. Er übernahm die Werkstatt 1976, und der Seniorchef half ihm damals bei der Arbeit. Den sogenannten A-Teil, die theoretischen Fächer also, der Meisterprüfung hat der junge
Handwerker sehr gut bestanden, aber dann war zum einen die Belastung im Dienst-leistungsbetrieb zu hoch, und zum anderen waren es finanzielle Gründe, die ihn daran hinderten, den praktischen Teil
der Prüfung zu absolvieren. Daß er die Praxis aber auch ohne das “Papierchen“ beherrscht, beweisen seine zufriedenen Kunden. Walter Hartmann war Mitglied der Handwerkskammer und in die
Handwerksrolle eingetragen. Ursprünglich führte Herr Hartmann den Betrieb als reines Dienstleistungsunternehmen und leistete vor allem Reparaturarbeiten in der 1961 neu gebauten Werkstatt
mit separatem Eingang. Und es war durchaus nicht immer leicht für ihn, wenn es oft an notwendigem Material fehlte!
Nach der Wende hatte er zusätzlich mit dem Verkauf von Damen- und Herrenschuhen sowie Sport- und Wanderschuhen begonnen.
Teilweise aus Elke Langes "Skizzen und Porträts aus dem Liebensteiner Oberland "
Zufriedene Kundschaft ist ihm
wichtig
siehe auch http://www44.jimdo.com/app/s06790cd3cc8612fc/p764f3acbba99eaf7/