Max (Israel) Liebenstein

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Foto a) Max Liebenstein und seine Frau Antonie im Garten von Elise Kaiser - Rohstr. 9 in Bad Liebenstein  (Nach der Namensänderungsverordnung von 1938 musste Max den Zusatzvornamen Israel und Antonie den Zusatz Sara hinzufügen.)

Familie Max Liebenstein
         von Wolfgang Malek geschrieben im Mai 2021

 

Im Rahmen von 1700 Jahren jüdischen Lebens in Deutschland und 900 Jahre in Thüringen möchten wir auf Spuren davon in unserem Ort hinweisen.

Max Liebenstein wurde am 02.02.1877 in Bad Liebenstein geboren. Sein Vater Josef Bärenz Liebenstein war ein angesehener Kaufmann, der u.a. Gründungsmitglied des MGV Sängerkranz war. Seine Mutter hieß Marianne Levi. Max hatte zehn Geschwister. Von ihnen wanderte Albert 1897 nach Deutsch Südwest-Afrika aus und starb 1962 in einem Altersheim in Südafrika.

Max heiratete am 20.Juni 1910 in Wolfhagen Antonie Katzenberg, die dort 1883 geboren wurde. Die Liebensteins hatten im sogenannten Judenhaus gewohnt, aus dem später der "Thüringer Hof" wurde https://www.heimatfreundebali.de/heimatgeschichte/gastst%C3%A4tten/th%C3%BCringer-hof/ . Direkt gegenüber errichteten sie in der Aschenbergstr. 2 ein Kaufhaus, das von Max Liebenstein übernommen wurde.

Kerstin und Bernd Schubert aus Bairoda  ist bei Renovierungsarbeiten in ihrem Haus ein altes Prospekt in die Hände gefallen und sie haben den Heimatfreunden freundlicherweise davon eine Kopie zur Verfügung gestellt.

Im Angebot fanden sich Konfektionen für Herren, Damen und Kinder;   Schuhe und Stiefel sowie Teppiche, Herrenhüte, Mützen und Badeartikel - Damen-Blusen, Röcke, Schürzen, Schirme, Stöcke und Rucksäcke.

Mit der Herrschaft der Nationalsozialisten änderte sich alles für die Liebensteins. Die Repressalien wurden insbesondere durch den Stürmer deutschlandweit inszeniert. So gab es auch einen Stürmer-Kasten inmitten unseres Ortes in der Nähe der Post. Meine Versuche, in Archiven an lokale Ausgaben des Stürmers zu kommen, sind vollkommen ins Leere gelaufen. Und mit einen Original-Exemplar, das in einem Berliner Ruderhaus hinter einer abgeschlagenen Wand aufgefunden wurde und als kleine Sensation gilt, werden vermutlich deutschlandweit keine solcher Zeitungsblätter mehr auftauchen.
Deshalb möchte ich ausführlicher auf dieses Blatt eingehen.  Der Stürmer, mit dem Untertitel ab 1932 „Deutsches Wochenblatt zum Kampfe um die Wahrheit“, war eine am 20. April 1923 vom NSDAP-Gauleiter  von Franken Julius Streicher in Nürnberg gegründete und herausgegebene antisemitische Wochenzeitung. Sie erschien am 22. Februar 1945 letztmals. Der Stürmer bediente sich einer besonders hetzerischen Sprache und zeichnete sich durch drastische – bei Schilderungen von "Rassendelikten" pornographische – Berichte, Bilder und Karikaturen aus. Die Zeitung war keine offizielle NS-Publikation, sondern Streichers Privatbesitz. Der Internationale Militärgerichtshof schätzte die Auflagenhöhe zwischen 1935 und 1939 auf 700.000 Exemplare, die Sondernummern zu den Reichsparteitagen auf mindestens zwei Millionen Stück. Das Blatt diente der propagandistischen Vorbereitung und Begründung des Holocaust.
Im ganzen Deutschen Reich waren Tausende der Stürmer-Kästen an stark frequentierten Orten aufgestellt, z. B. an Straßenbahn- und Bushaltestellen, öffentlichen Plätzen, Fabrikkantinen, in der Nähe von Krankenhäusern und Kirchen und trotz ihres teils pornographischen Inhalts mitunter sogar in Schulen. Die Schaukästen waren mit antisemitischen Parolen beworbene öffentliche Schaukästen, in denen die aktuelle Ausgabe kostenlos zu lesen war. Während der Olympischen Sommerspiele 1936 wurden an den Wettkampforten die Stürmer-Kästen abmontiert bzw. leer gelassen, und das Blatt wurde an einigen Kiosken vorübergehend nicht verkauft. Damit sollte die Reputation des Deutschen Reiches  im Ausland gewahrt bleiben.
Betroffenen jüdischen und nichtjüdischen Deutschen, die vom Stürmer beleidigt und angegriffen wurden, war allgemein jeder rechtliche Schutz dagegen verwehrt. Nach einem Urteil des Amtsgerichtes Berlin, mit dem 1937 die Beleidigungsklage eines Rechtsanwalts zurückgewiesen wurde, hatte Der Stürmer „die Aufgabe, das Verständnis für den Rassegedanken im Volk zu wecken und zu vertiefen sowie die Bewegung im notwendigen Kampf gegen das Judentum zu unterstützen“. Es sei daher nicht als Verunglimpfung zu werten, wenn „an dem Verhalten einzelner Volksgenossen Kritik“ geübt werde. Durch seine öffentliche Prangerfunktion war jeder vom Stürmer bedroht, mit Foto und Namen genannt zu werden, der mit Juden befreundet war oder bei ihnen einkaufte. Durch derartige Zeitungsberichte Denunzierte wurden mitunter von der Gestapo oder anderen NS-Kontrollinstanzen verfolgt. Mit Erlass des Reichssicherheitshauptamtes vom 18. Oktober 1940 waren die Kriminalpolizeistellen gehalten, Bilder „jüdischer Rassenschänder“ an den Stürmer zu senden. Die Stürmer-Redaktion erhielt bis zu 700 denunzierende Leserbriefe am Tag. Mitgeschickt wurden auch Fotografien, auf denen z. B. Bürger, die mit ihren jüdischen Nachbarn spazieren gingen, zu sehen waren. Diese wurden in der eigens dafür eingerichteten „Pranger“-Rubrik abgedruckt und die Denunzierten als „Judenknechte“ beschimpft. Ab 1936 gab der Stürmer-Verlag unter anderem auch antisemitische Kinderbücher heraus, wie "Trau keinem Fuchs auf grüner Heid und keinem Jud bei seinem Eid" – Ein Bilderbuch für Groß und Klein und "Der Pudelmopsdackelpinscher".

Die Liebensteins hatten drei Söhne, die infolge der unfassbaren Repressalien alle rechtzeitig das Deutsche Reich verlassen haben. Julius Bertold emigrierte nach Kenia und starb dort 1940. Horst Rolf, der 1912 geboren wurde und in Ilmenau ein Ingenieurstudium erfolgreich absolvierte, floh 1938 in die Vereinigten Staaten und nannte sich dort Harry Horst Livingston. 1946 Gründete er in Hartford die Firma Horst Engineering. Er starb 1998 in Bloomfield Hartford, Connecticut. Hans Julius ( * 3. April 1915 in Bad Liebenstein), 1934 Emigration nach Kapstadt, Südafrika, Heirat 1945, später in die USA,† 17. Dezember 1996 in Vernon Rockville Tolland, Connecticut.
Beim Novemberpogrom 1938 wurden die Geschäfte und Wohnungen der Familien Liebenstein durch SA-Leute überfallen; die beiden Männer wurden in das KZ Buchenwald verschleppt und nach Zustimmung ihrer Enteignung wieder entlassen.  1939 wurde Max Liebenstein zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt, weil er "gehässig und bösartig über Wirtschaftsangelegenheiten des Deutschen Reiches" gesprochen haben soll. In der Annahme, mit dem Wegzug in die Anonymität einer Großstadt besser geschützt zu sein, zog er mit seiner Frau nach Frankfurt. Antonie Liebenstein starb am 28.05.1941 eines natürlichen Todes im Krankenhaus der jüdischen Kultusvereinigung. (Nach der Sterbeurkunde). Herr Begemann vermerkt dazu:

Es ergibt sich, dass Antonie Liebenstein vermutlich am 3.6.1941 auf dem Neuen Jüdischen Friedhof Frankfurt beerdigt wurde. Das Foto mit ihrem
Grabstein ist erst viel später entstanden, als man für die mutmaßlich
durch "Freitod" gestorbenen Juden gesonderte Grabmale gesetzt hatte.
Die Beurkundung der Todesursache ("Herzschwäche" etc) muss der
"Freitod"-Version nicht widersprechen. Es bleibt aber ohne zusätzliche
Informationen beides - unentscheiden - nebeneinander und sollte so auch
auf Ihrer Internet-Seite berichtet werden.

Herr Herbert Begemann vom Brüder-Schönfeld-Forum e.V. in Maintal (http://www.brueder-schoenfeld-forum.de/) ist auf unserer heimatfreunde-web auf die Familie Max Liebenstein aufmerksam geworden. Er hat genau die Umstände recherchiert, die zum grausamen Tod von Max Liebenstein geführt haben.  Denn noch vor der verhängnisvollen Wannseekonferenz  wurde Max Liebenstein in einer der ersten Transporte überhaupt am 22.11.1941 mit Tausend anderen meist jüdischer Personen nach Kowno gebracht und ist dort am 25.11.1941 von der Gruppe um SS-Standartenführer Jäger ermordet worden. Der Maintaler Verein hat den bei diesem Transport Umgekommenen ein Denkmal errichten lassen.
Der "Jäger-Bericht" wurde von dem SS-Standartenführer Karl Jäger verfasst. Jäger war Befehlshaber des Einsatzkommando 3, einer Untereinheit der Einsatzgruppe A. Der Bericht enthält eine Aufstellung aller von Juli bis November 1941 ermordeten Juden, Kommunisten und politischen Kommissare in Litauen und Weißrussland. Innerhalb dieser fünf Monate ermordeten allein die Angehörigen des Einsatzkommandos 3 laut dieser detaillierten Aufstellung 137.346 Menschen. Um das Unfassbare begreifen zu können, sollte man diesen Jäger-Bericht lesen.  Kein anderer Bericht eines Einsatzkommandos zeichnet den geographischen Verlauf und die stärker werdende Einbeziehung von Frauen und Kindern in das Mordgeschehen so präzise nach. Daher wird der Jäger-Bericht https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%A4ger-Bericht in der Holocaustforschung als „Schlüsseldokument“ angesehen.

Folgende Fotos zeigen von b) bis e)

Foto b) Briefmarke 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland
Foto c) Grabstein Antonie Liebenstein in Frankfurt a./M.
Foto d) Ute Horn, geb, Hartmann im Kinderwagen 1940 vor ehemaligem Kaufhaus Max Liebenstein und das zerstörte Kaufhausfenster

Foto e) Stürmer Kasten
Foto f) Kerstin und Bernd Schubert aus Bairoda  ist bei Renovierungsarbeiten in ihrem Haus ein altes Prospekt
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c) Auf dem Friedhof fanden nur jüdische Personen die letzte Ruhestätte, die durch Suizid aus dem Leben gegangen sind...
c) Auf dem Friedhof fanden nur jüdische Personen die letzte Ruhestätte, die durch Suizid aus dem Leben gegangen sind...
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f) Kerstin und Bernd Schubert aus Bairoda  ist bei Renovierungsarbeiten in ihrem Haus ein altes Prospekt in die Hände gefallen und sie haben den Heimatfreunden freundlicherweise davon eine Kopie zur Verfügung gestellt.
f) Kerstin und Bernd Schubert aus Bairoda ist bei Renovierungsarbeiten in ihrem Haus ein altes Prospekt in die Hände gefallen und sie haben den Heimatfreunden freundlicherweise davon eine Kopie zur Verfügung gestellt.

Verein Brüder-Schönfeld-Forum stellt Informationen
zu Max Liebenstein zur Verfügung. Vielen Dank an Herbert Begemann

Biografie_Max_Liebenstein (1).docx
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MKK_Mittelungsblatt_ZfR_2018_Auszug.pdf
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