Gertrud Pfoch

Villa Sattlerei Fritz Reich -rechts der Schneiderladen
Villa Sattlerei Fritz Reich -rechts der Schneiderladen

Das Lädchen hält mich jung


Man wollte es einfach nicht glauben, wenn mann diese kleine, aufgeschlossene emsig in ihrem winzigen Laden hantierende Geschäftsfrau sah: Am 7. Januar 1992 war sie bereits 85 !
„Pfoch’s Trudchen“, wie sie die Einheimischen liebevoll nannten, begründete ihre Vitalität durch die immer neuen Kontakte zu Kunden, denn das waren vor allem Kurgäste und durch viel Bewegung trotz gerade überstandener Oberschenkelfraktur.
Gertrud Pfoch kannte in ihrer Kindheit nur zwei wesentliche Spiele, die ganz ihren Interessen entsprachen: Verkäuferin im Kaufmannsladen oder Lehrerin, denn sie war eine gute Schülerin und lernte gerne.
Das Studium als Lehrerin hätte sie nach dem Besuch der Grundschule in Bad Liebenstein in Hildburghausen absolvieren müssen. Schließlich kam es so, dass Gertrud Pfoch in der Konditorei ihres Onkels in Elberfeld als Verkäuferin begann, in der sie schon als Kind zu gerne hinter dem Ladentisch stand. Nach einem Jahr ging sie zurück ins Elternhaus ihrer Mutter, das sie bis zuletzt bewohnte, um da zu helfen. Vor der Heirat ihrer Eltern betrieb der Vater, Adam Pfoch, seit 1903 eine Schneiderei über dem Felsenkeller.
Das kleine Ladengeschäft bestand seit 1923. Vaters Hauptstrecke blieb die Schneiderei, und die Tochter führte den Laden mit Musterkollektionen an Stoffen, einem Teil Konfektion, vor allem Sportmode, Damen- und Herrenstrümpfen …
Auch eine Annahmestelle für die Coburger Chemische Reinigung besorgte sie damals, alles per Postverkehr. Der Vater war leider schon 1950 verstorben. Ihre Mutter, Berta Pfoch, lebte noch bis 1981 - 96-jährig - bei ihr und hat gerne geholfen. Getreu dem Motto aus ihrem Elternhaus, dass ein Geschäft für alle Menschen da sei, unabhängig von politischen Anschauungen, gehörte Gertrud Pfoch nie einer Partei an. Handarbeitszubehör hatte sie übrigens nicht angeboten, sondern sie verarbeitete dies ausschließlich zum Eigengebrauch. Herrliche Stickereien waren unter ihren geschickten Händen entstanden oder umhäkelte Taschentücher. Allerdings nur zum Verschenken!
Der HO-Kurzwarenladen im Ort hatte geschlossen, die Zahl der einheimischen Kunden war wieder größer geworden. Die meiste Zeit zum Gucken hatten aber die Kurgäste und fanden immer passende Knöpfe, Bänder oder Garne. Wenn das Diätprogramm angeschlagen hatte, brauchte so mancher einen Gürtel oder, besser noch, Hosenträger.
Solche Artikel erhielt Gertrud Pfoch direkt ab Werk und konnte sie so preisgünstig anbieten, auch für Kinder. Die einst beliebten “Betrüger“ - das waren Blusenwesten - führte sie zum Schluß nicht mehr. Nicht das Hochmodische gab es im Lädchen, aber ein umfassendes Grundsortiment!
Teilweise aus Elke Langes "Skizzen und Porträts aus dem Liebensteiner Oberland "
 

Gertrud Pfoch galt lange Zeit als die älteste und am längsten im Einsatz stehende Einzelhandelskauffrau Deutschlands.
Bis ins hohe Alter hatte sie ihren Kurzwarenladen in der Herzog-Georg-Strasse im Griff.

Das kleinere Gebäude in gelb beherbergte Trude Pfochs Kurzwarenladen - Aufnahme März 2013
Das kleinere Gebäude in gelb beherbergte Trude Pfochs Kurzwarenladen - Aufnahme März 2013