Das Gericht Liebenstein bis Ende des 17. Jh.

 

Christine Seige, 2025

 

Der bisher älteste urkundliche Nachweis zur Ortsgeschichte von Bad Liebenstein befindet sich im Hauptstaatarchiv Dresden, ist aus dem Jahr 1360, und beinhaltet die Belehnung von Wetzel vom Stein durch den Landgrafen von Thüringen und sächsischen Markgrafen von Meißen Friedrich III. den Strengen mit der „burchlich bustat, genant zu dem Lybinstein“, also einer Burgbaustätte namens Liebenstein. Die bauhistorischen Forschungen von K.-P. Wittwar und B.Tomaschek aus dem Jahr 2002 lassen vermuten, dass diese Burgbaustätte 1360 aus Resten einer älteren Anlage bestand. Sie trug nach dem Lehnsbriefstext bereits den Namen Liebenstein. Wetzel vom Stein war einer der vier Brüder vom Stein, die als Söhne ihres verstorbenen Vaters Wetzel mit ihrer Mutter Adelheid von Buchenau 1360 auf Burg Stein lebten. Sie planten ab 1360 den Bau der Burg Liebenstein, die wohl vor 1374 fertiggestellt war. In diesem Jahr wurde sie, entsprechend der Lehnsbedingung der Offenhaltung, dem Lehnsherr Friedrich III. für militärische Zwecke im Rahmen seiner Bündnisverpflichtung gegenüber dem Landgrafen von Hessen gegen den Adelsaufstand der „Sterner“ vorübergehend zur Verfügung gestellt. 

Burg Liebenstein, vermutlich 2. Hälfte 16. Jh., Ausschnitt aus der "Tyringische Mapp oder Landtafel..." von Adolar Erich (1559 - 1634).

Aufnahme: SLUB, Deutsche Fotothek, A. Rous

Die Burg Liebenstein wurde spätestens seit vor 1386 von der Familie vom Stein bewohnt. Während Heinrich, der älteste der Brüder, auf Burg Stein wohnen blieb, der zweitälteste namens Wetzel, der ältere, nach dem Erbanfall von in Barchfeld und auf der Mosburg lebenden Stein‘schen Verwandten seinen Lebensmittelpunkt mehr in Barchfeld und einige Jahrzehnte auf Burg Frankenberg hatte, sind es die jüngeren Brüder Wetzel, der jüngere und Thuto (Dietrich), die die als Mannlehen vergebene Burg Liebenstein nutzten und weiter vollendeten. Dafür spricht ein Kreditvertrag von 1386, in dem vereinbart ist, dass Wetzel der ältere den jüngeren Brüdern 100 Gulden leiht für die Ausstattung der Burgkapelle Liebenstein. 

Wie es generell üblich war, gehörte von 1360 an zur Burg Liebenstein ein „Nährbezirk“, d.h. ein für die wirtschaftliche Absicherung des Burgherrn nutzbares Gebiet. Es grenzte etwa an das heutige Marientaler Wäldchen, an den Antoniusberg, erstreckte sich durch den Grumbachgrund hinter dem Haderkopf entlang der Flurstücke Vordere, Mittlere und Hintere Laus zum Gleisdreieck und bis an den Farnbach. An diesem verlief die Grenze bis vor Bairoda, von dort zum Hofmühlchen, den Hang hinab bis oberhalb der Heilquellen, um den Aschenberg am Flurstück Giebel entlang zu den Fischteichen am Stillen Tal. Dort war die „Eschefurt“ über die Grumbach ein weiterer Grenzpunkt, von wo man sich den Grenzverlauf östlich der Raboldsgrube zum heutigen Abzweig Meimerser Straße vorstellen muss. Der Aschenberg, damals Escheberg genannt, war bis 1583 hennebergisch, wurde dann sächsisches Gebiet und kam spätestens wohl in herzoglicher Zeit nach 1800 zum Gebiet von Liebenstein. 

Territorial handelte es sich bis Ende des 17. Jh. somit um ein kleines Adelsgericht mit relativ geringer Bevölkerung. Um den am Fuße des Burgberges liegenden Grumbacher Hof, der bereits 1402 urkundlich belegt ist, wird Anfang des 15. Jh. jedoch bereits eine Siedlung bestanden haben, bewohnt von überwiegend Bauern, die an den landwirtschaftlich wenig günstigen Hängen des Thüringer Waldes hauptsächlich Roggen, Gerste, Hafer und wenig Weizen anbauten und Kleinvieh, wenig Großvieh hielten. Daneben sind wenige Gewerke wie Maurer und Müller, zumindest eine Mühle wird genannt, belegt. Im Gericht Liebenstein bestand eine Mischform von Zinsgrundherrschaft und Eigenwirtschaft des Burg- und Gerichtsherrn.  Die Bauern als wichtigster Teil der Einwohnerschaft erhielten Höfe mit zugehörigen Landflächen wohl überwiegend in Erbzinsleihe, wofür sie Frondienste und Abgaben leisteten, waren aber persönlich frei. Auf nicht vergebenen Landflächen wurde die Eigenwirtschaft des Burgherrn betrieben, organisiert vom Grumbacher Hof aus und einem Vorwerk „hinter der Burg“, dem Röderhof, in der Nähe vom Hattenbachfeld am Weg von Steinbach nach Atterode. Einige konkrete Angaben über die sozialökonomischen und weiteren gesellschaftlichen Verhältnisse liegen vorläufig erst ab der Mitte des 16. Jh. vor. 

 

Landkarte der Herrschaft Schmalkalden von J.G. Schleifstein, um 1708 (Ausschnitt)

<https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/hkw/id/227>

 Aus dieser Zeit stammt auch die vorläufig älteste Erwähnung vom „Dorf Saurborn“ in einer Beschreibung des Grenzverlaufes zwischen dem hennebergischen Amt Schmalkalden und dem sächsischen Gericht Liebenstein aus dem Jahr 1564. In einem Schreiben des Coburger Statthalters Graf Burgkhart von Barby aus dem Jahr 1580 an Georg Ernst vom Stein zum Liebenstein  erfolgt die Nennung „ beider dörfflein zue Grumbach undt Saurbrunn. Eine amtliche Bestätigung der Existenz einer selbständigen Gemeinde Sauerbrunn ist dann in einer Notariatsurkunde des Salzunger Notars und Schultheißen Gregor Perthes vom 22. Juni 1582 überliefert. Er beglaubigt in dieser Urkunde eine Bürgschaft der „…  verordnete[n] und bestätigte[n] Dorffs Vormünder der beiden Gemeinen Saurborn und Grumbach, in dem Liebensteiner Gericht und Bothmäßigkeit gelegen,…“  Nach Angaben des Schweinaer Pfarrer Emil Rückert wohnten am Ende des 16. Jh. in Sauerbrunn etwa 30 Nachbarn mit Familien. Nachbarn waren die Einwohner, die vom Dorfvorstand gegen Aufnahmegebühr und mit Genehmigung des Burgherrn als Gemeindemitglieder  aufgenommen worden waren und entsprechende Rechte und Pflichten besaßen. Es ist davon auszugehen, dass auch weitere Einwohner als „Nichtnachbarn“ in den Gemeinden lebten und arbeiteten, welche aber nicht die Rechte der Gemeindemitglieder hatten. Im Jahr 1669, dem Todesjahr des letzten Burgherrn Bernhard Heinrich vom Stein zum Liebenstein, waren „ die Dörfchen Sauerbrunn und Grumbach … von 171 … Seelen bevölkert … „ .  Wenn auch die Einwohnerzahl vor dem Dreißigjährigen Krieg sicher etwas höher war und die Bevölkerung sich 1669 noch im Prozess des erneuten Wachstums befand, so hat es sich doch zu allen Zeiten um kleine Ortschaften gehandelt.

Die territorialpolitische Verwaltung des Gerichts Liebenstein unter den Burgherren vom Stein zum Liebenstein lässt sich in drei zusammenwirkende Bereiche unterteilen, die im 16. Jh. zusammen eine frühneuzeitliche Verwaltungsstruktur darstellten. Dominierend waren in der herrschaftlichen Verwaltung des Burg- und Gerichtsherrn die Vorgänge der Landleihe an die Bauern und die Zins- sowie Steuereinnahmen, exekutiv vieles vom Burgvogt ausgeführt; dazu kam die Gerichtsbarkeit, in der aber auch rechtschaffene Untertanen als Schöffen eine wichtige Rolle spielten. Spätestens seit Ende des 15. Jh. hatten die vom Stein schon ganz wesentlich Landesordnungen und weitere Vorschriften zu berücksichtigen, so z.B. die viele Rechts- und Wirtschaftsbereiche tangierende ernestinische Landesordnung von 1556. Durch das 1572 erlassene Gesetzeswerk des Kurfürsten August, das auch für das ernestinische Gebiet galt, wurde zum Beispiel den Untertanen ein Beschwerderecht beim Landesherrn eingeräumt, was im 17. Jh. durch die Reformen von Herzog Ernst dem Frommen noch ausgebaut wurde. Die Untertanen erhielten damit die Legitimierung von rechtlichem Widerstand zugesprochen und dem Gerichtsherrn wurde die Beweispflicht von Behauptungen auferlegt. 

Mädchen aus Liebenstein, Gemälde von Johann Georg Sömmer, Barchfeld, um 1847

Museumslandschaft Hessen-Kassel, Inv.Nr. LM1938/370

Der herrschaftlichen Verwaltung gegenüber stand zumindest seit der zweiten Hälfte des 16. Jh. die Gemeindeselbstverwaltung, geführt von den Dorfvormündern, die für die Organisation des Zusammenlebens der Einwohner anhand bestehender Regeln sorgten. Sie waren verantwortlich unter anderem für die Annahme neuer Gemeindemitglieder, Flurschützen und Hirten, erstellten die Gemeinderechnung, hatten die Aufsicht über die Gemeindefluren, die Setzung von Grenzsteinen usw. Inwieweit es bis Ende des 17. Jh. im Gericht Liebenstein eine schriftlich formulierte Dorfordnung gegeben hat, ist vorläufig nicht bekannt. Im Jahr 1687 beantragten die Gemeinden Grumbach und Sauerbrunn  beim Herzog Bernhard von Sachsen-Meiningen die Genehmigung zur Einführung einer 13 Punkte umfassenden Stabsgerechtigkeit, die auch genehmigt wurde. Sie entsprach derjenigen im Gericht Altenstein und galt ab diesem Jahr bis ins 19. Jh. auch im Gericht Liebenstein. Im 17. Jh. wurde durch die Verwaltungsreformen von Herzog Ernst dem Frommen noch wesentlich umfassender in die innere Verwaltung von ländlichen Gemeinden eingegriffen, gestützt durch die Einsetzung von Schultheißen neben den Dorfvormündern, aber auch die Verantwortlichkeiten der adligen Gerichtsinhaber mehr kontrolliert und reformiert. Sie wurden unter anderem zur Anstellung von ausgebildeten Richtern verpflichtet, was bisher nicht regelmäßig geschehen war. So stellte z. B. Bernhard Heinrich vom Stein zum Liebenstein zusammen mit Reinhard Friedrich Hund von Wenkheim 1646 den Richter Heinrich Rödiger ein.

Das Gericht und Burg Liebenstein blieben von 1360 bis 1673 im Lehnsbesitz der Familie vom Stein zum Liebenstein. Zwei bedeutende lokalgeschichtliche Perioden sind besonders hervorzuheben. Burg und Gericht Liebenstein waren im Rahmen der Grumbachschen Händel von 1567- 1570 ein von Kurfürst August von Sachsen beschlagnahmtes Lehen, das von den Besitzern, der Familie vom Stein, nicht genutzt werden durfte und von dem Salzunger Bürger Caspar Specht im Auftrag der herzoglichen Regierung in Weimar verwaltet wurde. Dessen erhaltene und sehr genau geführte Gutsrechnung über das Jahr 1567/68 gibt zahlreiche Auskünfte über die Wirtschaftsführung und Einwohner des Gerichts und die Verhältnisse auf Burg Liebenstein in dieser Zeit. Bedeutender für die Geschichte von Bad Liebenstein wurde die Periode der Erschließung der Sauerbrunner Heilquellen und Gründung des Badbetriebes durch Herzog Johann Casimir von Sachsen-Coburg auf Anregung des derzeitigen Burg- und Gerichtsbesitzers Hermann vom Stein zum Liebenstein, die zwischen 1608 u d 1618 einzugrenzen ist. Die furchtbaren Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges beendeten diese Entwicklung, die ihre Fortsetzung in bescheidenem Maße im 18. Jh. fand und im 19. Jh. durch die sachsen-meiningischen Herzöge zu voller Blüte gelangte.

Nachdem der letzte Burgherr Bernhard Heinrich vom Stein zum Liebenstein 1567 gestorben war, führte die Witwe Johanna vom Stein mit Genehmigung von Herzog Ernst dem Frommen die Verwaltung des Gerichts weiter. Da der letzte Erbanwärter im Kindesalter verstarb, fielen Burg und Gericht 1673 an den Herzog heim. Die renovierungsbedürftige Burg wurde von den letzten Bewohnern um 1678 verlassen. Herzogs Bernhard I. von Sachsen-Meiningen, in dessen Besitz das Gericht Liebenstein seit 1677 durch Erbe war, überließ es gegen ein Darlehen bald dem Kammerrat Waldenberger von Schmalkalden. 1702 ging es an den kursächsischen Hofrat Dr. Friedrich Trier, den Besitzer des Bergwerks zu Glücksbrunn, über und schließlich erhielt es der Meininger herzogliche Hofrat Friedrich Albert von Fischern 1710 als „erb- und eigenthümliches“ Sohn- und Töchterlehen.

 

Nähere Angaben zur Burggeschichte und Familie vom Stein zum Liebenstein siehe die Beiträge unter Burggeschichte.

 

Literatur

Brückner Georg. Landeskunde des Herzogtums Meiningen. Bd. 1: Die allgemeinen Verhältnisse des Landes. 1851. Bd. 2: Die Topographie des Landes. 1853.

Brückner Georg.  Historische Skizze von Burg und Bad Liebenstein. Meiningen 1872.

Fritze, Dr. [Eduard]. Geschichtliches über Schloß Altenstein, Bad Liebenstein und Nachbarorte. Eisenach 1925.

Klinger, Andreas. Der Gothaer Fürstenstaat. Herrschaft, Konfession und Dynastie unter Herzog Ernst dem Frommen. Husum 2002.

Rückert, Emil. Altensteins und Liebensteins Vorzeit. Hildburghausen 1852.

Seige, Christine. Burgruine Liebenstein bei Bad Liebenstein. Regensburg 2018.

 

Ein großer Teil der Angaben ist Archivalien entnommen, zu denen die Autorin auf Anfrage im einzelnen gern Auskunft gibt (christine@seige.net).