Das Gericht Liebenstein im Besitz der Familie von Fischern im 18. Jh.
Das Gericht Liebenstein war nach dem Heimfall 1673 an Herzog Ernst den Frommen durch Erbe an den ersten Herzog von Sachsen-Meiningen, Bernhard I. gekommen, wurde zunächst Kammergut, dann vom Herzog 1690 gegen ein Darlehen von 20.000 Talern dem Kammerrat Waldenberger von Schmalkalden überlassen. Ebenfalls als Pfand übergab es der Herzog 1702 dem Hofrat Dr. Friedrich Trier, Besitzer des Bergwerks und Schlosses Glücksbrunn. Sein Schwiegersohn, Hofrat Friedrich Albert von Fischern kaufte dann das Gericht von Herzog Ernst Ludwig I. als Mann- und Tochterlehen. Das Rittergut Liebenstein mit dem früheren Burgbezirk um Sauerbrunn und Grumbach blieb ein Niederadelsgericht, für das Herr v. Fischern alle üblichen Gerechtsame besaß, auch die Gerichtsbarkeit. Allerdings hatten die Einwohner wie auch schon früher die Beschwerde- und Klagemöglichkeit bei der Landesregierung und auch beim Reichskammergericht zu Wetzlar.
F. A. von Fischern beabsichtigte wohl mit dem Bau eines Schlosses am Fuße des Burgberges, mit der Veranlassung einiger weiterer baulicher Maßnahmen und der Schaffung von Grünanlagen, die in der Mitte des Dörfchens Sauerbrunn entstanden, den Aufbau eines für sich standesgemäßen örtlichen Zentrums. Aus allen Angaben geht hervor, dass Herr von Fischern, der mit seinen Brüdern 1708 von Kaiser Joseph I. geadelt und ab 1709 Hof- und Kammerrat mit Sitz und Stimme in der herzoglichen Regierung zu Meiningen geworden war, er also höfisches und städtisches Leben gewöhnt war, eine vielseitige Hebung der örtlichen Verhältnisse im Gericht Liebenstein anstrebte.

Das Schloss der Familie von Fischern (mittlerer Teil), um 1800 durch links und rechts angesetzte Flügel zum Kurhaus umgebaut.
Aus: Herzogl. Coburg-Meiningisches jährliches gemeinnütziges Taschenbuch. 1801
Zunächst ergriff er vor allem Maßnahmen zu besseren Nutzung der Heilwasserquellen. Deren Qualität und Heilkraft wurde zwischen 1718 und 1727 von mehreren Ärzten und Wissenschaftlern erneut geprüft und für sehr gut befunden. Herr von Fischern ließ den Hauptbrunnen mit einem verzierten Holzpavillon umgeben und eine neu entdeckte Quelle fassen, die neben dem Hauptbrunnen unter der Aufsicht des als Brunnenaufseher angestellten Lehrers genutzt werden konnte. Es gelang Herrn von Fischern, sicher auch durch seine Tätigkeit am Meininger Hof, in der Folgezeit durch Werbung eine gewisse Belebung des Badebetriebes. Herzog Bernhard I. und sein Sohn Ernst Ludwig, der seine Sommeraufenthalte in Frauenbreitungen verbrachte und auch „der Gothaische Hof“ kamen zum Sauerbrunnen. So wurde das Fischern‘sche Schloss mit dem kleinen Dorf um den Sauerbrunnen allmählich zum sommerlichen Aufenthalts- und Begegnungsort von Gästen höfischer Kreise. Der steigende Bedarf an Lebensmitteln und anderen Waren führte wohl 1715 dazu, dass F. A. von Fischern die Marktgerechtigkeit für Sauerbrunn beantragte, die er von Herzog Ernst Ludwig genehmigt erhielt. Zweimal jährlich wurde nun in Sauerbrunn Jahrmarkt gehalten, der erste Mittwochs nach dem Johannistag (24. Juni) und der andere Mittwochs vor Laurentius (10. August). Die Gemeinde Sauerbrunn und die Einwohner wurden verpflichtet, das Marktgeschehen zu schützen, Händler, Marktfrauen usw. gut zu behandeln. Die Gemeindevorsteher standen damit auch in einer neuen Verantwortung.
Durch die temporär zahlreichere Anwesenheit von Badegästen, die zunächst wohl im Schloss aufgenommen wurden, kam es zur Planung von weiteren Unterkünften, die auch bei den Einwohnern gesucht wurden und es wurden für die Versorgung der Gäste mehr Bedienstete benötigt; durch beide Faktoren wurde die Einwohnerschaft in die auflebende Badentwicklung integriert. Im 18. Jh. lebten viele Einwohner des Gerichts Liebenstein nicht nur von der wenig ertragreichen Landwirtschaft, sondern in bedeutendem Umfang auch von Verdiensten aus der Tätigkeit als Schlosser, Messerschmiede und Drechsler, zum Teil hausgewerblich neben der Landwirtschaft betrieben, aber auch als Hauptlebensgrundlage mit nur sehr geringem Anteil von Landwirtschaft. Dennoch sprechen die Quellen von einer überwiegend armen Bevölkerung, die ja zu allen Zeiten auch Steuern und Abgaben aufzubringen hatte.
Die Messermacherei und Schlosserei kam im Gericht Liebenstein erst nach dem Dreißigjährigen Krieg auf. Im 18. Jh. bestand eine Innung für Messermacher und eine für Schlosser und Schmiede.

Wohnstube eines Liebensteiner Schlossers.
Aus E. Schwarz. Damals. Liebensteiner Skizzen. Bad Salzungen 1913.
Weitere Initiativen zeigen, dass Herr von Fischern auch in anderen wichtigen Bereichen Veränderungen anstrebte, die allerdings zum Teil weniger erfolgreich verliefen. So blieben seine Aktivitäten zur Etablierung einer eigenen Pfarrei im Gericht Liebenstein, wozu er mehrere Versuche unternahm, letztlich erfolglos. Das Gericht Liebenstein blieb kirchlich, wie von alters her, eine Filiale der Pfarrei Schweina. Möglicherweise ging es auch auf Herrn von Fischern zurück, dass 1712 im Gericht Liebenstein ein eigenes Geistliches Untergericht eingerichtet wurde, zuständig u.a. für Ehesachen, die Klärung kirchlicher Finanzen, Armenversorgung, Begräbnisfragen und Schulaufsicht. Für die von Herzog Bernhard 1695 gestiftete Kirche zwischen Sauerbrunn und Grumbach, die auch von länger verweilenden Badegästen besucht werden konnte, und auch für das Schulhaus gab Herr von Fischern notwendige Gelder für Reparaturen.

Blick auf den Kurort Bad Liebenstein, Deutschland, 1817. "Burgruine Liebenstein auf dem Berg, im Vordergrund des Bildes das Hotel mit 72 Zimmern und das Haus der Louise Eleonore Herzogin, Regentin von Sachsen-Meiningen" Kol. Aquatinta, Ackermann Respository of Arts, London 1817.
F. A. von Fischern setzte sich auch für die Erhaltung der Burgruine Liebenstein ein. Er ließ dies als Gerichtsherr wohl in beträchtlichem Umfang durch Burgdienste ausführen, die er den Einwohnern von Sauerbrunn und Grumbach auferlegte. Dies führte zu erheblichen Differenzen, wodurch die Gemeindevorsteher sich bewogen sahen, für ihre Gemeinden Beschwerden einzulegen, schließlich 1716 Klage beim Reichskammergericht Wetzlar zu erheben.(1) Die Spannung muss im Gericht Liebenstein in diesen Tagen sehr hoch gewesen sein, denn noch 1716 erging ein Dekret des Reichskammergerichts, sowohl an Herrn von Fischern als auch die Einwohner, Frieden und Ruhe zu halten bis der Fall entschieden sei. In dem 1717/18 laufenden Verfahren wurden dazu von einem kaiserlichen Notar Aussagen von den Einwohnern Georg Gerhardt, Paul Wenig, Johannes Hopf und Heinrich Georg aufgenommen. Herr von Fischern konnte sich wohl auf einen Kammerbefehl aus dem Jahr 1673 stützen, dem Jahr des Heimfalls der Burg an Herzog Ernst den Frommen, der die Pflicht zu weiteren Diensten an der Burg beinhaltet haben wird.
Grundlage der Gemeindeverwaltung war auch im 18. Jh. die Stabsgerechtigkeit bei Einhaltung der herzoglichen Verordnungen. Vom Gerichtsherr von Fischern war als Gerichtsbote und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit ein Gerichtsknecht angestellt, eine Funktion, die Mitte des 18. Jh. über längere Zeit der Einwohner Andreas Heller wahrnahm. Er wird zusammen mit Hirten und Jägern in Zeugenprotokollen und Schriftwechseln zu den gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen Herrn von Fischern und den Herren von Stein Liebenstein zu Barchfeld wegen Nutzungsrechten an Wald- und Hutweiden bei dem Gut Raboldsgrube und im Liebensteiner Gebiet.(2)
Obwohl das Gut Raboldsgrube seit der Verpfändung durch Hermann vom Stein zum Liebenstein 1614 mehrmals weiter verpfändet worden war, sich also bis ins 18. Jh. in unterschiedlichen Trägerschaften befand, hatten vor allem die Schafhirten die Weiden sowohl bei der Raboldsgrube als auch im Liebensteiner Gebiet gemeinsam genutzt. Dies wollte Herr von Fischern, der das Gut Raboldsgrube erst in den Jahren vor 1850 erworben hatte, nicht zulassen.
Die Barchfelder Stein‘sche Familie, die ein Rückkaufsrecht auf das Gut hatte und die Rückgabe verlangt hatte, was Herr von Fischern ablehnte, war gerichtlich 1751 in den Besitz wieder eingesetzt worden. Dies löste im Nachgang weitere Konflikte aus, da Herr von Fischern zum einen auch nach Eintreten der Rechtskraft des Gerichtsbeschlusses die weitere Nutzung von zur Raboldsgrube gehörigen Weiden und Waldstücken seinem Hirten und Jäger gestattete, zum anderen die seit alters übliche und amtlich registrierte Nutzung von Weideflächen im Liebensteiner Gebiet durch den Raboldsgruber Schäfer mit Hilfe des Gerichtsknecht verhindern ließ, wobei es auch zu tätlichen Übergriffen kam. Schließlich tolerierte und verteidigte er die Stillegung einer Wasserzuführung zum Gut Raboldsgrube durch einige seiner Leute. Die Protokolle der Zeugenanhörungen zu den 1752 durchgeführten Verhandlungen vor dem Amtskästner Appuhn auf Schloss Altenstein beinhalten detaillierte Angaben zu den Vorfällen und einige biographische Angaben zu Zeugen wie zum Grumbacher Schäfer Daniel Ferbel. Dass die Einwohner von Sauerbrunn und Grumbach mit dem Brechen der Weidenutzungstraditionen durch ihren Gerichtsherrn nicht einverstanden waren, geht aus den Äußerungen des Sauerbrunner Schäfers Christoff Kampf hervor, die bei einem Ortstermin auf der Rabelsgrube protokolliert wurden: „ … schimpft auf von Fischern und berichtet, er hätte dagegen gesprochen, daß man einen Stein‘schen Hirten gewaltsam von der Koppelhut geschlagen habe, die armen Hirten müssten unter dem Streit der Herren leiden.“ (3)
Die beiden Beispiele Burgdienste und Raboldsgrube und auch die mit Auseinandersetzungen einhergehenden längeren Bemühungen F. A. von Fischerns um eine eigene Pfarrei für das Gericht Liebenstein verdeutlichen, dass zur Geschichte des Gerichts Liebensteins im 18. Jh. neben dem tagesaktuell sicher ständig im Vordergrund stehenden „Projekt“ Badebetrieb auch eine ganze Reihe gravierender und über längere Zeit verlaufende konfliktreicher Ereignisse zu nennen sind, die die Menschen bewegt haben.
Nach dem Tod F.A.von Fischerns 1769 ging der Besitz des Gerichts Liebenstein an seinen Sohn Friedrich Joseph v. Fischern über. Wie schon sein Vater, versuchte er zusätzlich Einkünfte über den Bergbau zu gewinnen, wohl im Waldgebiet an der Hohen Klinge und im Hochheimer Forst. Dabei wurden durch massiven Holzabbau hohe Waldschäden angerichtet, die die Familie an die herzogliche Regierung bezahlen musste. Wie so oft in der Geschichte, heirateten Kinder zerstrittener Familien einander, so dieser Sohn von F. A. von Fischern, der Wilhelmine von Stein-Liebenstein zu Barchfeld ehelichte. Den Badebetrieb in Sauerbrunn konnte er nicht auf der Höhe der vorhergehenden Jahrzehnte erhalten; dieser ging zurück und damit auch das mit ihm verbundene gesellschaftliche Leben. Zur Situation am Ende des 18. Jh. sei der Liebensteiner verdienstvolle Heimatforscher Walter Börner zitiert:
„Trotz der vielen Gutachten berühmter Ärzte sowie einem Lobgedicht des damals bekannten Historikers und Kaiserlich gekrönten Hofpoeten Weinreich auf die Liebensteiner Quelle, mehrte sich der Besuch des Bades nicht, er verminderte sich sogar wegen der schlesischen Kriege. Die Besitzer des Bades gerieten in Geldschwierigkeiten, ihre Mittel genügten nicht mehr, das Bad zu erhalten, zumal der Kurbetrieb mehr und mehr abnahm und im Jahre 1780 so gut wie ganz aufhörte. Damals regierte im Meininger Lande der Herzog Georg (1782 - 1803). Ihn machte sein Hofmedicus Dr. Jahn in seiner Arzneikunde 1791 auf die Quelle aufmerksam: „ vielleicht wendet sich bald der alles überschauende Blick des Herzogs auf dieses verwaiste, trauernde Örtchen. Kein Wiesbaden, Schwellbach und Ems war der Kultur so viel wert als Liebenstein." Die Worte des Arztes sollten nicht umsonst gewesen sein. Jener nahm im Jahre 1799 den Brunnen in Pacht und schon im darauffolgenden Jahre kaufte er die Herrschaft für 100 000 Gulden von der Fischerschen Familie, zumal er großen Gefallen an dem Brunnen gefunden hatte.“
1) Landesarchiv Thüringen, Staatsarchiv Meiningen, Bestand Reichskammergericht, Akte 61.
2 und 3) Landesarchiv Thüringen, Staatsarchiv Meiningen, Bestand Gutsarchiv Barchfeld, Akte 74.
Literatur
Börner, Walter. Entwicklung des Bades Liebenstein 1610-1939. Mskrpt. O.D, S. 12.
Brückner, Georg, Landeskunde des Herzogtums Meiningen, Bd. 2, S.62-65
Fritze, Dr. [Eduard]. Geschichtliches über Schloß Altenstein, Bad Liebenstein u. Nachbarorte. Eisenach 1925.
Rückert, Emil, Altensteins und Liebensteins Vorzeit, Hildburghausen 1852, S. 154ff.
Schwarz, Erdmann. Damals. Liebensteiner Skizzen. Bad Salzungen 1913
Schwerdt, Heinrich, Liebenstein. Gotha 1854
Text: Christine Seige, 2025