Haus Else
Schicksal von Ex-"Else" ist besiegelt Bad Liebensteiner Gebäude wird abgerissen / Erweiterungsanbau der m&i-Fachklinik von Katrin Lublow
Bad Liebenstein - An allem nagt der Zahn der Zeit. Doch beim Betrachten der einstigen Pension "Else" in Bad Liebenstein wird das auf den ersten Blick nicht gleich deutlich. Im Sonnenlicht schimmert die Fassade in einem strahlenden Weiß, das Lächeln der porträtierten jungen Frau - so entzückend wie vor 72 Jahren, als das Gebäude durch Karl und Else Paukert errichtet wurde. Doch die Balken des schicksalbehafteten Gebäudes tragen schwer.
1938 wurde die Pension feierlich eröffnet. "Ein Jahr lang ging das gut", erinnert sich der Sohn Horst Paukert aus Bad Liebenstein. Als mit Beginn des Zweiten Weltkrieges die ersten Bomben auf deutsche Städte fielen, ordnete Adolf Hitler die Kinderlandverschickung an. Zur Evakuierung zahlreicher Jungen und Mädchen wurde durch die Nazis unter anderem auch die "Else" beschlagnahmt. Die Familie Paukert war dagegen machtlos. Doch sie ließen sich nicht unterkriegen - pachteten kurzerhand die Gaststätte "Altenstein". Arbeiteten tagein, tagaus.
Während des Zweiten Weltkrieges wurde die "Else" als Lazarett für erkrankte und verwundete Soldaten umfunktioniert. 1945 folgte die nächste Beschlagnahmung. Diesmal von den Amerikanern, später von den Russen. "Dann begann die deutsche Odyssee", erzählt Horst Paukert. Millionen Deutsche mussten ihre Heimat verlassen, wurden deportiert oder in die Flucht geschlagen. In unzähligen Trecks drängen Flüchtlingsströme in den Westen. So auch nach Bad Liebenstein. Mit kleinen Handwagen kamen sie, einem Rucksack oder einem Holzkoffer. In der Pension "Else" fanden sie Unterschlupf. Bis 1947, als der Kurbetrieb in Bad Liebenstein wieder aufgenommen wurde.
Da die Familie Paukert jedoch mit der Bewirtschaftung der Gaststätte "Altenstein" ausgefüllt war, übernahm Karl Schneider, der Bruder von Else Paukert, die Pension und führte es als Kurheim weiter. 1960 übernahm Horst Paukert das Zepter. Die Fassade erhielt einen neuen Anstrich und die Zimmer wurden generalsaniert. Im Rahmen dessen erhielten die Räume moderne Bäder und eigene Toiletten. Zuvor mussten sich die Gäste jeweils drei Toiletten pro Etage teilen. Für die Modernisierung der Zimmer musste etwa jedes dritte Zimmer weichen, erinnert sich Horst Paukert. Aus den zuvor 84 Betten wurden nunmehr 55. Zur Wendezeit sei die "Else" eine der modernsten Pensionen in Bad Liebenstein gewesen. Die Zimmer waren immer sehr gut belegt. Drei Jahre später wurde auf dem Nachbargrundstück die alte Klingelfabrik abgerissen, um Platz für den Bau der M&I- Fachklinik Bad Liebenstein zu schaffen. Aus gesundheitlichen Gründen muss Horst Paukert sich zurückziehen, verpachtet die "Else" an mehrere Interessenten. Doch ohne Erfolg. Die finanziellen Belastungen für Energie, Wasser und Gas stiegen über die Jahre hinweg immens in die Höhe. Ein großes Problem. Zudem waren die Gästezahlen stark rückläufig. Die Pension stand vor dem Aus.
Schweren Herzens entschied sich der 80-jährige Horst Paukert dazu, die Pension inklusive dem Grundstück zu verkaufen. Eine gute Gelegenheit, wie sich herausstellte, da die m&i-Fachklinik einen Erweiterungsanbau plant. Der Verkauf wurde 2009 besiegelt. "Wir sind uns schnell einig gewesen", erzählt Paukert. Trotz allem blickt der 80-Jährige wehmütig zurück, denn mit dem Verkauf steht nun auch fest, dass die "Else" abgerissen wird. "Das tut schon weh", erzählt der Rentner. Seine Blicke wendet er seitdem nicht mehr der "Else" zu.
"Ich kann einfach nicht mehr hinsehen", erzählt er traurig. Doch wie sagt man: "Des einen Leid, des anderen Freud." Mit dem Kauf des Grundstückes inklusive dem Gebäude schafft die m&i-Fachklinik ausreichend Platz für den Erweiterungsanbau. Überlegungen, das Gebäude "Else" in den Klinikkomplex zu integrieren, wurden verworfen. Unter Berücksichtigung modernster medizinisch-therapeutischer Gesichtspunkte sei das nicht möglich, informiert der kaufmännische Direktor Rolf-Peter Hoehle. Ein Abriss unausweichlich.
Bei dem Erweiterungsanbau handelt es sich um die neurologische Abteilung der Frührehabilitation, auch unter "Phase B" bekannt. In der Abteilung werden seit zehn Jahren Patienten mit höherer Pflegebedürftigkeit, Lähmungen, Schluck-, Orientierungs- und Sprachstörungen behandelt. Die Leistungsfähigkeit der Patienten reicht von einer völligen Bewegungseinschränkung bis zum desorientierten Fußgänger. Mit dem Erweiterungsanbau können Arbeitsprozesse optimiert und vorhandene Gegebenheiten verbessert werden. Gerade für die neurologische Phase B sei der Bedarf in den letzten fünf Jahren enorm gestiegen, meinte Hoehle.
Bislang mussten immer wieder Patienten abgewiesen werden. Um eine Grundversorgung auch zukünftig sichern zu können, wird die Abteilung von derzeit 31 auf 48 Betten erweitert. Der eingeschossige Anbau erfolgt in Anbindung zur Cafeteria. Um eine direkte Verbindung zur jetzigen Phase B herzustellen, muss die Cafeteria um einige Meter verkleinert werden. In dem neuen Bereich der Phase B werden Therapieflächen für Ergotherapie, Logopädie, Physiotherapie sowie für klinisch-psychologische Behandlungen entstehen.
Zudem wird es ein spezielles Restaurant für Patienten geben, die durch Lähmungen oder Koordinationsstörungen der am Schlucken beteiligten Bereiche Schwierigkeiten haben, Nahrung und Flüssigkeiten normal herunterzuschlucken. Durch die Erweiterung der Phase B werden vier Arztstellen sowie 22 Stellen für Krankheits- und Gesundheitspfleger geschaffen. Mit der erteilten Baugenehmigung soll es losgehen. Voraussichtlich wird das Gebäude bereits Ende des Jahres stehen. kl
Wie aus einer Postkarte von 29.07.1941 ersichtlich ist (11.03.2024, bei ebay angeboten) wurde der Schüler Karl-Heinz Bujok zur Kinderlandverschickung ins Haus Else geschickt.
Karte kam vom KLV Podebrady Lazne.(https://de.wikipedia.org/wiki/Protektorat_B%C3%B6hmen_und_M%C3%A4hren) und zwar von der Base von Karl-Heinz, Ruth
Pankowitz, aus dem Kiner Verschickungslager Winterbad.