Remisenhof

Bearbeitet von Günter Schwesinger
Bearbeitet von Günter Schwesinger
Aufnahme von 1920 Rudolf Floßmann und Frau - Archiv Günter Schwesinger
Aufnahme von 1920 Rudolf Floßmann und Frau - Archiv Günter Schwesinger

Das Gebäude hinter den blühenden Apfelbäumen ist der frühere Remisenhof ( Esplanade 13), der 1959 mit dem Beginn des Baus des Therapiegebäudes abgerissen wurde: unmittelbar darunter ist das neue Kurhaus http://www44.jimdo.com/app/s06790cd3cc8612fc/pa074f0634151e045/ errichtet worden.
Im Vorderhaus wohnte der ehemalige Nachtwächter des damaligen Kaiserhofes und der Kuranlagen Rudolf Floßmann (+ 1945) mit seiner Frau (+ 1950) (siehe Foto). Er war bekannt auch durch seinen Kaiser-Wilhelm-Bart, der immer mit einer Bartbinde in Form gebracht werden musste.
Im Hinterteil des Gebäudes waren Remisen für Kutschen ( der Enkel von Herrn Floßmann, Günter Schwesinger ( * 1929) erinnert sich an vier herzogliche Kutschen, die dort noch bis Anfang der 1950er untergebracht waren). In Richtung Majorskopf waren noch einige Pferdeställe angebaut.
Günter Schwesinger erzählt weiter, dass sein Opa jede Nacht etliche Rundgänge im historischen Kurviertel zu absolvieren hatte, wobei er in jedem zu besuchenden Objekt eine Stechuhr zu bedienen hatte.

1950 zog Filmvorführer Rudi Müller mit Familie in die Wohnung des Remisenhofes. Nach einem Brand, bei dem auch die wertvolle Fotosammlung von Rudi Müller durch Wasserschaden vollkommen vernichtet worden war, musste Familie Müller umziehen.

Archiv - Werner Piereck
Archiv - Werner Piereck

Werner Piereck zusammen mit dem freundlichen Wachhund - aufgenommen 1949 vor dem Remisenhof. Werner wurde 1947 im "Behelfsheim"  http://www44.jimdo. com/app/s06790cd3 cc8612fc/p13537be1dc330a27/  Aschenberg geboren.
Die Familie Piereck wurde aus Breslau/Schlesien umgesiedelt und wohnte gut ein Jahr im Remisenhof. Von 1945 bis 1948 hatten sie in der Barackenanlage am Aschenberg Quartier genommen. Anfang der 1950er waren sie noch im Schulweg 1  http://www44.jimdo.com/app/s06790cd3cc8612fc/pe0239722d02932e2/  zu Hause.

Aufnahme um 1920 - Archiv Inge Kaiser (Hutweide)
Aufnahme um 1920 - Archiv Inge Kaiser (Hutweide)

Rechts hinten erkennen wir die Wohnung vom Remisenhof, vorne rechts die Ecksteine vom Comödiensaal   http://www44.jimdo.com/app/s06790cd3cc8612fc/peb0159cc3266fed7/ .
Klein Toni wurde am 16.September 1926 geboren. Sie hält den Esel am Halfter. Emil Floßmann, der laut Telefonbuch von 1912 eine Fischhandlung in Liebenstein unterhalten hatte, steht in der Mitte. Er war der Bruder von Nachtwächter  Rudolf Floßmann.
Das Gerüst hinter Emil Floßmann ist ein sogenannter Eisgalgen   siehe auch
http://www44.jimdo.com/app/s06790cd3cc8612fc/p2c02ec5caa9abf2f/.

Anzeige im Stammgast vom 12.11.1907 aus der Sammlung Harry Stein
Anzeige im Stammgast vom 12.11.1907 aus der Sammlung Harry Stein

Günter Schwesinger (* 1928)  erinnert sich weiter:
1945, als die russischen Truppen hier einzogen, hatten deren
Quartiermacher schon die hiesigen Möglichkeiten ausgekundschaftet. Da sie mit echten Pferdestärken hier ankamen, belegten sie umgehend die vorhandenen Ställe http://www44.jimdo.com/app/s06790cd3cc8612fc/p68923f74a32ac388/ und Remisen und das ganze Kurviertel wurde abgesperrt.

Da wir nun im Remisenhof zuhause waren, bekamen wir eine Sondergenehmigung. So human waren sie nun doch zu einer alten Frau, meiner Oma.  Aber es war doch ein mulmiges Gefühl, so inmitten von diesen russischen Soldaten zu sein. Deren Offiziere waren ja noch recht anständig, man merkte den Unterschied in der Bildung, aber bei den Soldaten war der Wodka sehr gefragt und beliebt und sie wollten immer von uns welchen haben!
Aber.........manchmal klopften sie des nachts ans Fenster, so dass wir dachten, jetzt schlagen sie die Scheibe kaputt. Meine Oma war sehr couragiert und dann rief sie mit tiefer Männerstimme: nix da, kein Wodka. Ich rufe jetzt Offizier - haut ab !
Und tatsächlich zogen sie dann ab, denn vor den Offizieren hatten die Soldaten tiefen Respekt. Im Marstall waren extra für Strafmaßnahmen kleinste Zellen eingerichtet worden.
( Da ich damals in der Tischlerei Knauf lernte, wurde ich von meinem Meister angewiesen, diese Zellen im Auftrag eines hohen Offiziers zu errichten. Ich glaube, mein Meister hat mehr Angst gehabt als ich. Und als ich mit dem Einbau fertig war, fragten die mich doch, ob sie mich mal einsperren sollten. Ich hab vor Angst bloß mit dem Kopf geschüttelt und ich war froh als ich dort weg war. )

Die Soldaten wurden recht kurz gehalten und so war es, wenn sie wieder Futter für die Pferde brauchten, mehr oder weniger ein Raubzug in den umliegenden Bauerndörfern. Kamen sie zurück, so hatten sie außer Heu und Stroh auch aus irgendeinem Stall oder einer Weide ein Kalb oder Schwein im Heu versteckt. Das gab dann in ihrem Quartier ein Freudenfest, bei dem auch wieder reichlich Schnaps floss, aber ein Offizier durfte da nicht dazu kommen! Fairerweise muss ich aber sagen: wir bekamen auch ein Stück Fleisch von ihnen.

Als ich als Jugendlicher 1945 täglich abends im Dunkeln da hoch zu meiner Großmutter (die ja verwitwet und sonst alleine war) gehen musste, war das ein ziemliches Abenteuer. Beim Postamt stand meist im Dunkeln der erste Wachposten. Stoi ! kuda? Nach dem ersten Schreck sagte ich: zu meiner Babuschka, ich da schlafen......usw.

Nu dawei ! Ja, das war vielleicht eine Zeit!