Villa Frohberg, dann Villa Am Aschenberg und Villa Dr.Bücher, genannt "Mein Belvedere"

Am Aschenberg 5, Aufnahme Januar 2012
Am Aschenberg 5, Aufnahme Januar 2012

Der Berliner Schauspieler Hahn hatte das Haus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichten lassen. Danach war es im Besitz des Rentners Friedrich Frohberger (1842 -1904). Nach dessen Tod wurde es Eigentum der Witwe des Hoteliers Albrecht. Helene Albrecht, spätere Schulz, geborene Pingel-Wöbke,  hatte 1915 Villa Albrecht und Villa Edelweiß in der Esplanade verkauft. 1914 veräußerte sie höchstwahrscheinlich auch an Prof. Dr. Bücher  http://www44.jimdo.com/app/s06790cd3cc8612fc/pd4808a2f942eda58/  die Immobilie Am Aschenberg. Etwas versteckt gelegen, hatte er seine Sommerresidenz dort eingerichtet. Er nannte das Anwesen zeitlebens stolz " Mein Belvedere " !
Bis zu ihrem Tod im Herbst 2011 bewohnte Frau Dr. Luise Lauth dieses Gebäude.
Sie war Enkelin von Dr. Karl Bücher.
Ihr Vater
Dr. Friedrich Bücher (1883 – 1983) war Jurist. Zunächst war er als Referendar in Borna tätig. Später wirkte er als Richter in Dresden und überlebte dort den anglo-amerikanischen Bombenangriff. 1945 begann Friedrich Bücher als Landesgerichtsdirektor in Meiningen zu arbeiten, wo er bis zu seinem 70.Geburtstag als Oberrichter angestellt war. Er wohnte in der einstigen Sommerresidenz seines Vaters in Bad Liebenstein, dessen Tochter Dr. Luise Lauth bis zu Ihrem Tod 2011 auch dort zu Hause war.

 


Im April 1993 wurde das Gebäude durch einen Brand schwer beschädigt. Ursache waren Erdarbeiten zur Verlegung eines Starkstromkabels. Der eingesetzte Bagger hatte versehentlich eine Freileitung getrennt. Infolge eines Kurzschlusses ergab sich eine enorme Hitzeentwicklung, die den Brand auslöste. Der Schaden betrug mindestens 1 Million DM. In den folgenden zwei Jahren wurde das Haus wieder aufgebaut und vollständig saniert. Der damalige Bürgermeister hatte den im Obergeschoß wohnenden Mietern in der "alten Feuerwehr" eine Ersatzwohnung angeboten. Frau Dr. Laut hatte Unterschlupf bei Familie Stefan gefunden, die ein Einfamilienhaus in der Aschenbergstraße bewohnten.

Im April 1993 wurde die Villa durch einen Brand arg verwüstet. Familie Nolle, die zu dieser Zeit das obere Stockwerk bewohnt hatte, verlor sein ganzes Inventar - Sammlung Günther Nolle
Im April 1993 wurde die Villa durch einen Brand arg verwüstet. Familie Nolle, die zu dieser Zeit das obere Stockwerk bewohnt hatte, verlor sein ganzes Inventar - Sammlung Günther Nolle
links oben Villa Frohberg, späteres Haus Am Aschenberg und dann auch Villa Belvedere  - Archiv W.Malek
links oben Villa Frohberg, späteres Haus Am Aschenberg und dann auch Villa Belvedere - Archiv W.Malek
Vorderseite Haus Am Aschenberg vor 1919 - ursprünglich Villa Frohberg - Fotos unten -  heutige Ansicht Archiv W.Malek
Vorderseite Haus Am Aschenberg vor 1919 - ursprünglich Villa Frohberg - Fotos unten - heutige Ansicht Archiv W.Malek

Aufnahme Januar 2013 von Nordwesten - links die Villa Biedermann (Haus Hubertus) http://www44.jimdo.com/app/s06790cd3cc8612fc/pebb357535e5bad11/

Aufnahme Januar 2013 von Nordosten - rechts die Villa Heller Am Aschenberg http://www44.jimdo.com/app/s06790cd3cc8612fc/p8de4022615be505e/

100. Geburtstag von Dr. Friedrich Bücher in Bad Liebenstein am 29. August 1983 in seiner Wohnung Am Aschenberg.

Freies Wort - Archiv Elfriede Mosebach
Freies Wort - Archiv Elfriede Mosebach

Bücher, Karl, Volkswirtschaftler und Soziologe (1847-1930).

  Eigenhändiger Brief mit Unterschrift

Anbieter Eberhard Koestler Autographen&Bücher oHG, (Tutzing, Germany)
Anzahl: 1

Bad Liebenstein, 8. III. 1915, Kl.-4°. 4 Seiten. Doppelblatt. Ausführlich an den Schriftsteller Hans Ostwald: "[.] Schon vor Jahren habe ich in meiner 'Entstehung der Volkswirtschaft' [.] ähnliche Gedanken ausgesprochen, wie Sie sie in Ihrer Auslandstiftung verwirklichen wollen [.] Wir haben aber immer besonderen Wert darauf gelegt, daß jedesmal im Voraus eine genau begrenzte Aufgabe, für welche der Reiselustige vermöge eigner Studien oder seiner Lebenserfahrung besonders gut vorbereitet schien, gestellt wurde und es abgelehnt, solche Reisen zu unterstützen, welche bloß allgemeine Ziele verfolgten [.] Die kaufmännische Vorbildung der Ausgesandten bot eine gewissen Garantie dafür, daß die geschäftlichen Interessen im Mittelpunkt gehalten wurden [.] Auf diese Weise könnte ich mich wohl entschließen, möchte aber aus den Erfahrungen, die ich [.] gemacht habe, beifügen, daß eine Vermehrung der bloßen Auslandsbummler und der Leute die bloß auf Kosten der Stiftung die Welt sehen wollen, uns nicht weiterbringen kann [.]" - Bücher lehrte in Dorpat, 1883-90 in Basel, dann in Karlsruhe und 1892-1917 an der Univ. Leipzig, an der er das erste Zeitungswissenschaftliche Universitätsinstitut Deutschlands gründete. - Einige Unterstreichungen. Artikel-Nr.: 39428.

Karl Bücher (1847-1930)
Bücher Karl Wilhelm
Professor für Nationalökonomie und Statistik, Rektor der Universität Leipzig
* 16.2.1847 Kirberg 12.11.1930 Leipzig Leipzig, Südfriedhof(ev.)
VTheodor (1808-1880), Landwirt, BürstenmacherMChristiane, geb. Dorn (1805-1871)Emilie Hedwig Franziska, geb. Mittermaier (1853-1909)SFriedrich (* 1883), Richter
GND: 118516884

Der studierte Historiker und Philologe B. erlangte große Bedeutung als Professor für Nationalökonomie an der Universität Leipzig, der er gleichsam zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Rektor vorstand. Darüber hinaus etablierte er das Leipziger Institut für Zeitungskunde, das als Vorläufer der modernen Kommunikations- und Medienwissenschaft angesehen werden kann. – B. stammte aus einfachen Verhältnissen, sein Vater war Bürstenmacher und Landwirt, seine Mutter Tochter eines Bäckermeisters. Nach einem Studium der Alten Geschichte und Philologie in Bonn und Göttingen (1866-1869) war er als Gymnasiallehrer in Dortmund, Amsterdam und Frankfurt/Main tätig. Bereits 1874 erschien B.s erstes bedeutendes Buch „Die Aufstände der freien Arbeiter 143-129 v. Chr.“. Parallel folgte er 1876 dem Ruf des Verlegers Leopold Sonnemann zur Frankfurter Zeitung, um dort das sozial- und wirtschaftspolitische Ressort zu übernehmen. Ende der 1870er-Jahre entschied er sich für die akademische Laufbahn und habilitierte 1881 bei Alphons Helferich für Nationalökonomie und Statistik an der Universität München. Seine ersten Professuren übernahm B. in Dorpat (estn. Tartu) (1882/83), Basel (Schweiz) (1883-1890) und Karlsruhe (1890-1892). – 1891 erhielt B. den Ruf an die Universität Leipzig. Die Besetzung war jedoch von Hindernissen begleitet. Als der Gründer des Staatswissenschaftlichen Seminars Lujo Brentano 1891 nach München ging, gab es zwei Anwärter auf seinen Lehrstuhl: B. und August von Miaskowski. Letzterer erhielt den Vorzug, da B. unter dem Verdacht des „Kathedersozialismus“ stand. Erst zum Wintersemester 1892/93 wurde B. mit der Schaffung einer zweiten Professur für Nationalökonomie und Statistik mit eigenem Seminar (später Vereinigte Staatswissenschaftliche Seminare) berufen. Für B. bedeutete dies einen Karrieresprung und das Ende seiner Wanderzeit. – B. erwarteten an der renommierten Leipziger Universität Kollegen wie Wilhelm Roscher, Karl Lamprecht, Friedrich Ratzel und Wilhelm Wundt. 1893 erschien „Die Entstehung der Volkswirtschaft“, eine Schrift, die B. weltweit bekannt machte. Darin entwirft B. grundlegende ökonomische Gesetze (z.B. die Wirtschaftsstufentheorie, die Break-Even-Analyse oder das Gesetz der Massenproduktion), die bis heute ihre Gültigkeit haben. Die Betrachtung der historischen, inneren Zusammenhänge volkswirtschaftlicher Phänomene macht ihn neben Gustav Friedrich Schmoller (ab 1908 von Schmoller) und Brentano zu einem der wichtigsten Vertreter der sog. Jüngeren Historischen Schule. Unter B. wurde die Nationalökonomie zu einer historisch-relativen Sozialwissenschaft. Umso verwunderlicher war es, dass B. 1896 das so gar nicht typisch nationalökonomische Buch „Arbeit und Rhythmus“ veröffentlichte, in dem er sich den Arbeits- und Lebensformen am Beginn der zweiten Industrialisierungswelle widmete. Er begründet darin die Herkunft aller rhythmischen Künste aus den Arbeitsgesängen und zeichnet die Utopie einer harmonischen Gesellschaft, in der die Kollektive durch Arbeitsrhythmen zusammengehalten werden und in der sich das arbeitende Individuum wieder mit der Lebenswelt synchronisiert. B.s Ansatz reagiert sehr zielsicher auf die gesellschaftlichen Umwälzungen von Arbeit und Leben seit dem Aufbruch Deutschlands in die Moderne und dem Strukturwandel der Öffentlichkeit von der liberalen Bürgergesellschaft zur demokratischen Massengesellschaft. Auch die groß angelegte, mehrbändige „Untersuchung zur Lage des Handwerks“, die ab 1895 in Zusammenarbeit mit seinen Studenten entstand, ist eine Reaktion auf die schwierige Situation des Handwerks und dessen Strukturproblemen im Rahmen der Industrialisierung. – B. fasste in Leipzig schnell Fuß in Universität und Stadt. So bekleidete er in den nächsten Jahren diverse Ämter, vom „Prokanzellar“ (1901/02) über den Dekan der Philosophischen Fakultät (1902/03) bis hin zum Rektor der Universität (1903/04). Zudem übernahm er interimistisch die Leitung des Geographischen Instituts von Friedrich Ratzel (1904). Sein Volkswirtschaftlich-Statistisches Seminar leitete und organisierte er beispielgebend für andere nationalökonomische Einrichtungen. So führte er u.a. eine Abteilung für öffentliches Recht ein und verschmolz das Staatswissenschaftliche mit dem Volkswirtschaftlichen Seminar. B.s Lehrtätigkeit wirkte anziehend auf nationale und internationale Studenten, seine Lehrveranstaltungen waren enorm hoch frequentiert. Zu seinen Schülern gehörten u.a. so prominente Persönlichkeiten wie der Mitbegründer des Spartakusbunds Hermann Ducker (der später sein Famulus wurde), der Mitbegründer der französischen Annales-Schule Marc Bloch, die Verleger Alfred Hüthig und Oskar Siebeck, der spätere Reichskanzler Gustav Stresemann, der Sozialdemokrat und spätere Bürgermeister von Berlin Otto Suhr oder der spätere russische Außenminister Michail Tereschtschenko. – Auch außerhalb der Universität war B. überaus aktiv. Bereits 1894 wurde er Mitglied der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften. Zudem war er Mitglied der Societas Jablonoviana zu Leipzig, die sich um den deutsch-polnischen Austausch bemühte, sowie 1893 Mitbegründer der Sächsischen Kommission für Geschichte. Darüber hinaus hielt B. auch Vorträge im Leipziger Arbeiterbildungsverein. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war er parteiloses Mitglied des Leipziger Stadtrats. 1901 bis 1924 war B. Herausgeber (bis 1902 mit Albert Eberhard Friedrich Schäffle) der führenden nationalökonomischen „Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft“. – 1898 gehörte B. neben Emil Albrecht von Friedberg zu den Mitbegründern der Leipziger Handelshochschule, an der er auch Lehraufgaben übernahm. Er war bis 1917 Mitglied des Senats der Hochschule und verhalf ihr zu enormem Ansehen. – Mit seiner 1903 erschienen Denkschrift „Der deutsche Buchhandel und die Wissenschaft“ initiierte B. den sog. Bücher-Streit. Er wandte sich gegen die vom Börsenverein der Deutschen Buchhändler im Rahmen der Krönerschen Reform eingeführte bis heute gültige Buchpreisbindung, die Rabatte und Sonderkonditionen für Akademiker und Bibliothekare abschaffte. Auf Anregung B.s gründete sich 1903 in Eisenach der Akademische Schutzverein unter der Leitung von Adolf Wach als erste Interessenvertretung wissenschaftlicher Autoren. – Zum 500-jährigen Jubiläum der Universität Leipzig 1909 wurde die Karl-Bücher-Stiftung eingerichtet, die volkswirtschaftliche Studien unterstützen sollte. Zeitgleich wurde die Edgar-Herfurth-Stiftung gegründet. Der „deutsche Pulitzer“ war Leipziger Großverleger und gab das Vorgängerblatt der Leipziger Volkszeitung heraus. Er sollte zum wichtigsten Financier für B.s letztes Großprojekt werden. – Die Erlebnisse des Ersten Weltkriegs, in denen sich B. vermehrt auf seinem Sommersitz im thüringischen Bad Liebenstein aufhielt, veranlassten ihn im reifen Alter zu einer Änderung des Arbeitsschwerpunkts. Zeit seines Lebens auch als Journalist und Redakteur tätig, war er erschüttert über die Art und Qualität der Presse in der Kriegsberichterstattung vom Krieg, mithin der Propaganda. Dies war der Hauptgrund für ihn, die Zeitungswissenschaft als eigenständiges Fach an der Universität Leipzig zu etablieren. Das gegen viele Widerstände am 1.11.1916 gegründete Institut für Zeitungskunde war das erste seiner Art in Europa und als Vorläufer der heutigen Kommunikations- und Medienwissenschaften die erste professionelle und institutionalisierte Beschäftigung mit Presse und Kommunikation und zugleich akademisch fundierte berufsvorbereitende Ausbildungsstätte für Journalisten. Die erste Professur für Zeitungskunde wurde erst 1926 durch Erich Everth besetzt.

Q  Universitätsarchiv Leipzig, Nachlass B.; Universitätsbibliothek Leipzig, Nachlass B.

W  Die Aufstände der unfreien Arbeiter 143-129 v. Chr., Frankfurt/Main 1874; Die Bevölkerung von Frankfurt am Main im XIV. und XV. Jahrhundert, Tübingen 1886; Die Entstehung der Volkswirtschaft, Tübingen 1893, 171926 (ND New York 1907 [eng.]); Untersuchungen über die Lage des Handwerks in Deutschland mit besonderer Rücksicht auf seine Konkurrenzfähigkeit gegenüber der Großindustrie, 9 Bde., Leipzig 1895-1897; Arbeit und Rhythmus, Leipzig 1896, 61924 (ND St. Petersburg 1899 [russ.]); Der deutsche Buchhandel und die Wissenschaft, Leipzig 1903, 31904; Die Berufe der Stadt Frankfurt am Main im Mittelalter, Leipzig 1914; Lebenserinnerungen, Tübingen 1919; Gesammelte Aufsätze zur Zeitungskunde, Tübingen 1926.

L  G. Brodnitz, Karl B., Tübingen 1931; R. Kötzschke/H. Kretschmar, Sächsische Geschichte, Dresden 1935 (ND Frankfurt/Main 1965, Augsburg 1995), S. 380; J. Backhauß (Hg.), Karl B., Marburg 2000; A. Kutsch (Bearb.), Schriftenverzeichnis Karl B., Leipzig 2000; A. Haase, Karl B. und der Akademische Schutzverein, in: Leipziger Jahrbuch zur Buchgeschichte 11/2001/2002, S. 141-236; E. Koenen/M. Meyen (Hg.), Karl B., Leipzig 2002; A. Kutsch, Karl B., in: Jubiläen 2005, hrsg. vom Rektor der Universität Leipzig, Leipzig 2005, S. 91-94. – DBA II, III; DBE 2, S. 195; NDB 2, S. 718f.; H. Riedel, Stadtlexikon Leipzig von A bis Z, Leipzig 2005, S. 75; Professorenkatalog der Universität Leipzig.

P  Fotografie, Universitätsarchiv Leipzig, Bildarchiv (Bildquelle).



Sebastian Göschel
5.6.2012


Empfohlene Zitierweise:

Sebastian Göschel, Bücher, Karl Wilhelm, in:
Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e.V., bearb. von Martina Schattkowsky,
Online-Ausgabe: http://www.isgv.de/saebi/ (10.1.2017)
Karl Bücher - Privatarchiv Arnulf Kutsch
Karl Bücher - Privatarchiv Arnulf Kutsch

Karl Bücher

16. Februar 1847 bis 12. November 1930

Lexikoneintrag von Michael Meyen am 21. Juni 2013

Bücher gilt als Nestor der akademischen Zeitungskunde in Deutschland. Er hat bereits 1884 in Basel Vorlesungen über die Zeitung gehalten und hier auch von den praktischen Erfahrungen gezehrt, die er bei der Frankfurter Zeitung gewonnen hatte.

Stationen

Geboren in Kirberg (Herzogtum Nassau). Vater Landwirt und Bürstenmacher, evangelisch-lutherisch. 1866 Studium in Bonn (Philologie und Geschichte). 1870 Promotion. 1872 Staatsexamen als Lehrer, dann Arbeit im Lehrerberuf. 1878 bis 1880 Redakteur der Frankfurter Zeitung (freie Mitarbeit seit 1874). 1881 Habilitation an der Staatswissenschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München. Professuren in Dorpat (1882), Basel (1883) und Karlsruhe (1890). 1892 Lehrstuhl für Nationalökonomie in Leipzig (Emeritierung 1917). 1902 bis 1903 Dekan der Philosophischen Fakultät, 1903 bis 1904 Rektor der Universität Leipzig. 1904 Alleinherausgeber der Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft. 1916 Gründung des Instituts für Zeitungskunde, Universität Leipzig. Verheiratet mit Emilie Mittermaier (1853 bis 1909), ein Sohn.

Publikationen

  • De gente Aetolica amphictyoniae participe. Bonn: I. Trapp 1870 (Dissertation).
  • Zur mittelalterlichen Bevölkerungsstatistik mit besonderer Rücksicht auf Frankfurt a. M. I. Allgemeiner Theil. In: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 37. Jg. (1881), S. 535-580; II. Specieller Theil. Ebd. 38. Jg. (1882), S. 28-117; Das Bürgerverzeichnis von 1440. III. Artikel. Ebd. 41. Jg. (1885), S. 488-579 (Habilitation).
  • Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen: H. Laupp’sche Buchhandlung 1893. 17 Auflagen.
  • Arbeit und Rhythmus. Leipzig: S. Hirzel 1896. Sechs Auflagen.
  • Lebenserinnerungen. Erster Band. 1847-1890. Tübingen: H. Laupp’sche Buchhandlung 1919.
  • Gesammelte Aufsätze zur Zeitungskunde. Tübingen: H. Laupp’sche Buchhandlung 1926.

Bücher gilt als Nestor der akademischen Zeitungskunde in Deutschland. Er hat bereits 1884 in Basel Vorlesungen über die Zeitung gehalten und hier auch von den praktischen Erfahrungen gezehrt, die er bei der Frankfurter Zeitung gewonnen hatte. Dort lernte er den Nationalökonomen Albert Schäffle (1831 bis 1903) kennen, der als freier Mitarbeiter politische Aufsätze lieferte. Schäffle unterstützte Bücher bei der Habilitation und machte ihn 1901 zum Mitherausgeber der Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft. Bücher übernahm von seinem väterlichen Freund auch die theoretischen Vorstellungen über Presse und Öffentlichkeit (vgl. Meyen/Löblich 2006: 109-127).

Das internationale Ansehen, das sich Karl Bücher als Wirtschaftswissenschaftler erarbeitete, erleichterte ihm sein Alterswerk: die Gründung des Instituts für Zeitungskunde an der Universität Leipzig. Er hatte sich bereits vorher als Kritiker der Presse hervorgetan und unter anderem gefordert, die Anonymität aufzuheben sowie das Monopol der großen Nachrichtenagenturen zu brechen. Auch mit der Verbindung von Text und Anzeigen fand er sich nicht ab. Bücher sah zwar die ökonomische Zweckmäßigkeit, schrieb aber von „schweren Gefahren für den arglosen Leser“. Die Zeitung definierte er als Erwerbsunternehmen, „das Annoncenraum herstellt und verkauft, der nur durch einen redaktionellen Teil absetzbar gemacht werden kann“ (Bücher 1926a: 397) – eine Formulierung, die bis heute immer wieder zitiert wird. Die Journalistenausbildung sah Bücher als ein Mittel zur Hebung der Pressequalität. Zum 500. Jubiläum der Leipziger Universität 1909 schrieb er, dass man für diesen Beruf keine besondere akademische Disziplin brauche, wohl aber „ergänzend Vorlesungen über Geschichte, Organisation, Statistik und Technik des Zeitungswesens“, die Erteilung von entsprechenden Lehraufträgen und die Erstellung von Studienplänen, um denjenigen zu helfen, die eines Tages in der Presse arbeiten wollten (Bücher 1909).

Diesen Plan setzte er dann mithilfe einer Stiftung des Zeitungsverlegers Edgar Herfurth (1865 bis 1950) und gestützt auf vaterländische Argumente um. Seiner Meinung nach hatte die Presse in den ersten Kriegsjahren versagt. In der Eingabe an das sächsische Kultusministerium, in der Bücher Anfang 1915 die Gründung eines zeitungskundlichen Instituts an der Universität Leipzig vorschlug, konstatierte er einen „Tiefstand des Zeitungswesens“ und sah als einzigen Ausweg „die Erziehung eines Journalistenstandes“, der „in wissenschaftlicher, technischer und sittlicher Hinsicht seinen großen Aufgaben gewachsen ist“ (vom Bruch 1980: 604). Bücher verstand das Leipziger Institut keineswegs als Keimzelle für eine neue Universitätsdisziplin. Noch zehn Jahre nach der Gründung schrieb er, dass es keine Zeitungswissenschaft gebe und in Leipzig auch die Forschung immer ausschließlich der Vorbereitung auf den Journalistenberuf gedient habe (Bücher 1926b). Gegen diese Beteuerungen spricht, dass Bücher in Leipzig 1921 das Promotionsrecht für das Fach durchsetzte (das es in der Weimarer Republik an keiner anderen Universität gab), dass er nach einem erfolglosen Versuch (Johannes Kleinpaul) einer Habilitation den Weg bahnte (Paul Walter Schöne) und trotz Alter und Krankheit so lange lehrte, bis 1926 mit Erich Everth der erste ordentliche Lehrstuhl für Zeitungskunde in Deutschland besetzt wurde (vgl. Koenen 2005).

Literaturangaben

  • Rüdiger vom Bruch: Zeitungswissenschaft zwischen Historie und Nationalökonomie. Ein Beitrag zur Vorgeschichte der Publizistik als Wissenschaft im späten deutschen Kaiserreich. In: Publizistik 25. Jg. (1980), S. 579-605.
  • Karl Bücher: Vorbildung für den Journalistenberuf an deutschen Universitäten. In: Leipziger Tageblatt, Nr. 208 vom 29. Juli 1909. Jubiläumsausgabe zur 500-Jahr-Feier der Universität Leipzig, S. 1-2.
  • Karl Bücher: Zur Frage der Preßreform. In: Gesammelte Aufsätze zur Zeitungskunde. Tübingen: H. Laupp’sche Buchhandlung 1926a, S. 391-429.
  • Karl Bücher: Zeitungskunde. In: Deutsche Presse 16. Jg. (1926b), Nr. 50/51, S. 5-6.
  • Erik Koenen: Ein „einsamer“ Wissenschaftler? Erich Everth und das Leipziger Institut für Zeitungskunde zwischen 1926 und 1933. Ein Beitrag zur Bedeutung des Biographischen für die Geschichte der Zeitungswissenschaft. In: Medien & Zeit 20. Jg. (2005), Nr. 1, S. 38-50.
  • Michael Meyen/Maria Löblich: Klassiker der Kommunikationswissenschaft. Fach- und Theoriegeschichte in Deutschland. Konstanz: UVK 2006.

Weiterführende Literatur

  • Jürgen Backhaus (Hrsg.): Theory – History – Anthropolgy – Non Market Economies. Marburg: Metroplis 2000.
  • Heinz-Dietrich Fischer/Horst Minte (Hrsg.): Karl Bücher. Auswahl der publizistikwissenschaftlichen Schriften. Bochum: N. Brockmeyer 1981 (= Publizistik-Wissenschaftler im deutschen Sprachraum, Bd. 1).
  • Hanno Hardt: Social Theories of the Press. Early German and American Perspectives. Beverly Hills, London: Sage 1979, S. 99-131.
  • Erik Koenen/Michael Meyen (Hrsg.): Karl Bücher. Leipziger Hochschulschriften 1892-1926. Leipzig: Universitätsverlag 2002 (= Karl-Bücher-Forschungsstelle der Universität Leipzig. Kleine Arbeiten und Materialien, Bd. 2).
  • Arnulf Kutsch: Historisch-ethisch vs. empirisch-soziologisch fundierte Zeitungswissenschaft. Zum Bruch zwischen Walter Schöne und Karl Bücher. In: Michael Haller (Hrsg.): Tatsachen und Meinungen. Für Klaus Puder. Leipzig: Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft 1997, S. 18-35.
  • Arnulf Kutsch: Schriftenverzeichnis Karl Bücher. Leipzig: Universitätsverlag 2000 (= Karl-Bücher-Forschungsstelle der Universität Leipzig. Kleine Arbeiten und Materialien, Bd. 1).
  • Arnulf Kutsch: Zum Verhältnis zwischen Karl Bücher und Karl d’Ester. Ein Beitrag zur Frühgeschichte der Zeitungswissenschaft in Deutschland. In: Ute Nawratil/Philomen Schönhagen/Heinz Starkulla junior (Hrsg.): Medien und Mittler sozialer Kommunikation. Beiträge zu Theorie, Geschichte und Kritik von Journalismus und Publizistik. Festschrift für Hans Wagner. Leipzig: Universitätsverlag 2002, S. 125-153.
  • Manfred Rühl: Publizieren. Eine Sinngeschichte der öffentlichen Kommunikation. Opladen, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 1999, S. 169-196.
  • Beate Wagner Hasel: Die Arbeit des Gelehrten: Der Nationalökonom Karl Bücher (1847-1930). Frankfurt/Main: Campus 2011.
  • Siegfried Weischenberg: Max Weber und die Entzauberung der Medienwelt. Theorien und Querelen – eine andere Fachgeschichte. Wiesbaden: Springer VS 2012, S. 109-134.

Weblinks

Empfohlene Zitierweise

Michael Meyen: Karl Bücher. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2013. http://blexkom.halemverlag.de/karl-bucher/ ‎(Datum des Zugriffs).

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